14.12.2021 • Metrologie

Quanten-Algorithmen bringen Ionen zum Stillstand

Hindernis auf dem Weg zu noch genaueren optischen Atomuhren beseitigt.

Laserstrahlen können nicht nur erhitzen, sondern auch kühlen. Das ist unter Physikern, die sich der Präzisions­spektroskopie oder der Entwicklung optischer Atomuhren verschrieben haben, nichts Neues. Aber neu ist die extrem geringe Temperatur, die Forscher am QUEST-Institut in der Physikalisch-Technischen Bundes­anstalt an diesen Forschungs­objekten erreicht haben: Noch nie zuvor waren hoch­geladene Ionen auf nur zweihundert Mikrokelvin herunter­gekühlt worden. Das gelang dem Team, indem es seine etablierten Methoden der Laserkühlung an gekoppelten Ionen mit Methoden aus dem Bereich des Quanten­computing verband: Quanten-Algorithmen sorgten dafür, dass Ionen, die sich dafür eigentlich zu unähnlich sind, nun doch gemeinsam herunter­gekühlt werden konnten. Damit rückt eine optische Atomuhr mit hochgeladenen Ionen näher, die noch genauer werden könnte als andere optische Atomuhren.

Abb.: Ungleiche Partner werden gekühlt: Ein ein­zel­nes Beryl­lium-Ion...
Abb.: Ungleiche Partner werden gekühlt: Ein ein­zel­nes Beryl­lium-Ion (violett, links) und ein einzelnes hoch­ge­ladenes Argon-Ion (blau­weiß, rechts) werden von ver­schie­denen Seiten mit Lasern be­schos­sen und nahe­zu zum völ­ligen Still­stand ge­bracht. (Bild: PTB)

Will man Teilchen, beispielsweise Ionen, extrem genau untersuchen – etwa mit Präzisions­spektroskopie oder um in einer Atomuhr ihre Frequenz zu messen –, dann muss man sie möglichst weit zum Stillstand bringen. Größt­möglicher Stillstand ist dasselbe wie geringst­mögliche Temperatur, man muss also möglichst effizient kühlen. Eine etablierte High-Tech-Kühlmethode ist die Laser­kühlung: Dabei bremsen geschickt angeordnete Laser die Teilchen aus. Allerdings ist nicht jedes Teilchen für diese Methode gut geeignet.

Daher verwenden die Forscher am QUEST-Institut schon länger gekoppelte Ionen: Ein Kühl- oder Logik-Ion wird per Laser gekühlt, das gekoppelte Partner-Ion wird mitgekühlt und kann dann spektro­skopisch untersucht werden. Doch diese Methode kam bisher an Grenzen, wenn sich die beiden Ionen in ihrem Masse-Ladungs-Verhältnis zu sehr unter­schieden. „Nun sind aber ausgerechnet solche Ionen besonders interessant für unsere Forschung, etwa für die Entwicklung neuartiger optischer Uhren“, erklärt Steven King vom QUEST-Institut.

Da er und sein Team erfahren in der Anwendung der Quanten­gesetze sind, haben sie den Baukasten der Quanten­computer­forscher bemüht. Und siehe da: Quanten-Algorithmen lassen sich nicht nur nutzen, um mit einem Quanten­computer schneller als je zuvor zu rechnen. Mit ihrer Hilfe kann man auch dem bislang so sperrigen ungleichen Paar Bewegungs­energie entziehen. Beim algorith­mischen Kühlen werden dazu Quanten­operationen verwendet, die Energie von einer schlecht kühlbaren Bewegung des Spektroskopie-Ions auf eine gut kühlbare Bewegung des Logik-Ions übertragen.

„Wir konnten dem Ionenpaar, das aus einem einfach geladenen Beryllium-Ion und einem hoch­ge­ladenen Argon-Ion bestand, so viel Energie entziehen, dass ihre Temperatur schließlich nur noch zweihundert Mikrokelvin betrug“, sagt Team-Mitglied Lukas Spieß. So nah am absoluten Nullpunkt war ein derartiges Ensemble noch nie. „Zudem haben wir ein bisher unerreicht niedriges Rauschen des elektrischen Feldes beobachtet“, ergänzt er. Dieses Rauschen führt zu einem Aufheizen der Ionen, wenn nicht mehr gekühlt wird, was hier besonders niedrig ausfällt.

Beides zusammen bedeutet: Die entscheiden Hürde ist überwunden, um eine optische Atomuhr zu bauen, die auf hochgeladenen Ionen beruht und eine Unsicherheit von unter 10–18 erreichen kann. Diese magische Grenze erreichen gegenwärtig nur die besten optischen Atomuhren der Welt. Aber auch für die Entwicklung von Quanten­computern und für die Präzisions­spektroskopie sind diese Ergebnisse von großer Bedeutung.

PTB / RK

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