03.06.2021

Preisgekrönter Blick in die Sonne

Borexino-Kollaboration erhält Cocconi-Preis für den Nachweis der Fusionsreaktionen der Sonne mit Neutrinos.

Für die bahnbrechenden Beobachtungen solarer Neutrinos, mit denen erstmals die Fusions­reaktionen im Inneren der Sonne nachgewiesen werden konnten, erhält das Team des Borexino-Projekts den angesehenen Giuseppe und Vanna Cocconi-Preis. Mit ihm zeichnet die Europäische Physikalische Gesellschaft alle zwei Jahre eine herausragende Entdeckung der Astro-Teilchenphysik und Kosmologie der zurück­liegenden 15 Jahren aus. 
 

Abb.. Blick in das Innere des Borexino-Detektors. Mehr als 1000 Meter Fels...
Abb.. Blick in das Innere des Borexino-Detektors. Mehr als 1000 Meter Fels über dem Laboratori Nazionali del Gran Sasso schirmen einen großen Teil der kosmischen Strahlung ab, so dass hier Neutrinos aus der Sonne untersucht werden können. (Bild: Borexino Collab.)

Im Jahr 2018 legte das Borexino-Experiment nach mehr als zehnjähriger Beobachtung von Sonnen-Neutrinos erstmals eine Gesamt­untersuchung der pp-Kette vor, des wichtigsten Fusionsprozesses der Sonne. Diese bestätigte zum ersten Mal die theoretischen Vorstellungen zur Energie­erzeugung unserer Sonne. Vor kurzem konnte das Borexino-Team auch den zweiten Fusionsprozess, den CNO-Zyklus, belegen. Beide Messungen bestätigen damit auch experimentell die in den 1930er Jahren aufgestellte Hypothese über die Funktionsweise der Sonne. TUM-Emeritus Franz von Feilitzsch, Lothar Oberauer und Stefan Schönert vom Lehrstuhl für Experimentelle Astroteilchenphysik an der Technischen Universität München (TUM) trugen maßgeblich zu den nun ausgezeichneten Messungen bei. 

Dem Sonnenmodell zufolge stammen etwa 99 Prozent der Sonnenenergie aus einer Kette von Fusions­reaktionen, die mit der Verschmelzung von vier Wasser­stoffkernen beginnt und mit der Erzeugung von Helium endet (Proton-Proton-Kette, kurz pp-Kette). Der einzige direkte Beweis dieses Prozesses liegt in der Beobachtung der Neutrinos, die während dieser Reaktionen entstehen. Das ursprüngliche wissenschaftliche Ziel von Borexino war es, Neutrinos zu messen, die in der pp-Kette bei der Fusion von 7Be entstehen. Die Beobachtung dieser nieder­energetischen Sonnenneutrinos stellt jedoch hohe Anforderungen an die Empfindlichkeit und Reinheit des Experiments.

„Der Schlüssel zum Erfolg von Borexino war, dass es uns gelungen ist, radioaktive Spurenelemente im Detektor­material fast vollständig zu eliminieren“, sagt Lothar Oberauer. „Das Borexino-Team hat hier neue Wege beschritten und eine bisher unerreichte Reinheit erzielt. Den verbleibenden Rest an Hintergrund­strahlung konnten wir mithilfe von ausgefeilten Methoden der Datenanalyse identifizieren und herausrechnen.“ Um die Experimente vor kosmischer Hintergrund­strahlung zu schützen, wird das Borexino-Experiment im unterirdischen Labor von Gran Sasso betrieben, tief unter den Bergen des italienischen Gran Sasso-Massivs. Das Labor ist Teil des italienischen Nationalen Instituts für Kernphysik (INFN). 

Auf diese Weise ist es Borexino seit dem Start im Jahr 2007 gelungen, Fragen zu beantworten, die weit über das anfängliche Ziel hinausgingen. Zuletzt gelang der Nachweis des CNO-Zyklus, der bereits 1939 von Hans Bethe und Carl Friedrich von Weizsäcker vorgeschlagen worden war. Er ist für die Produktion von etwa einem Prozent der Sonnenenergie verantwortlich. 

„Ich hätte es zunächst nicht für möglich gehalten, dass wir mit Borexino jemals CNO-Neutrinos beobachten würden, da die Hintergrundsignale zu hoch erschienen“, sagt Stefan Schönert. Inzwischen konnte Borexino auch Neutrinos aus dem Erdinneren messen und Fragen zur Wärmebilanz der Erde beantworten. 

Die Europäische Physikalische Gesellschaft zeichnet die Wissenschaftler des Borexino-Experiments nun mit dem diesjährigen Giuseppe und Vanna Cocconi Preis für „die bahnbrechenden Beobachtungen von solaren Neutrinos aus der pp-Kette und dem CNO-Zyklus, die eine einzigartige und umfassende Überprüfung der Fusionsreaktionen im Inneren der Sonne ermöglichen“, wie es in der Preiswürdigung heißt.

Franz von Feilitzsch, der das Experiment vor rund dreißig Jahren mit initiiert hat, freut sich sehr über die Auszeichnung: „Es war eine mutige Entscheidung der Verantwortlichen des italienischen Nationalen Instituts für Kernphysik ein so herausforderndes Experiment dauerhaft zu unterstützen. Wir haben großartig mit unseren europäischen, russischen und amerikanischen Kollegen zusammen­gearbeitet. Nicht zuletzt die Leistungen einer Vielzahl von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat Borexino zu diesem besonderen Erfolg geführt.“ Die Preisverleihung findet am 26. Juli während der online durchgeführten Hochenergiephysik-Konferenz der Europäischen Physikalischen Gesellschaft statt.

TUM / DE
 

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