30.08.2023 • Atome und MoleküleNanophysik

Polymere aus Ballbot-Carbenen

Erstmals langkettige bewegliche Polymere auf Metalloberflächen hergestellt.

N-Heterozyklische Carbene sind kleine, reaktive organische Ringmoleküle, die gut an Metall­ober­flächen binden und in den vergangenen Jahren in der Katalyse­forschung und auf dem Gebiet der stabilen chemischen Modifi­zierung von metallischen Oberflächen auf starkes Interesse gestoßen sind. Eine an der Uni Münster vor einigen Jahren entdeckte Besonderheit ist die Fähigkeit bestimmter NHC-Derivate, sich nicht nur an einzelnen Metallatomen zu verankern, sondern auch ein einzelnes Atom aus der Oberfläche vollständig heraus­zu­lösen. Gebunden an diesem Ad-Atom gleiten die NHCs frei über die Oberfläche – ähnlich einem Ballbot, also einem Roboter, der auf einer Kugel über die Oberfläche gleitet. Mithilfe derartiger Ballbot-Moleküle gelang es Physikern und Chemikern der Uni Münster jetzt in Kooperation mit Forschern aus China erstmals, die haloge­nierten NHCs dazu zu veranlassen, langkettige bewegliche Polymere, also Molekül­ketten, auf Metall­ober­flächen herzu­stellen.

Abb.: Seiten­ansicht einer mit der quanten­mecha­nischen...
Abb.: Seiten­ansicht einer mit der quanten­mecha­nischen Dichte­funk­tio­nal­theorie opti­mier­ten Struk­tur einer Ball­bot-Mole­kül­kette. (Bild: WWU Münster)

Die Beweglichkeit der ballbot­artigen NHCs führt zu neuen Möglich­keiten, beispiels­weise die selbst­organi­sierte Gruppierung zu hoch­ge­ordneten Domänen aus diesem Molekültyp bis hin zu kooperativem, schwarmartigen Verhalten der NHCs beim autarken Umbau bestimmter Metall­ober­flächen in eine andere hoch­geordnete Struktur, ohne jegliche äußere Beeinflussung wie Licht oder Elektronen. „Über die Selbst­organi­sation hinaus sind diese Ballbot-Polymere äußerst viel­ver­sprechend im Hinblick auf neue Anwendungen in den Bereichen Nanoelektronik, Ober­flächen­funktio­nali­sierung und Katalyse“, betont Harald Fuchs vom Physika­lischen Institut der Uni Münster.

NHCs können leicht an den Stickstoff-(N-)Gruppen des fünf­zähligen hetero­zyklischen Molekül­körpers modifiziert werden. Damit gelingt es, sowohl die elektronische Wechsel­wirkung der Carbene mit den Atomen einer Metall­ober­fläche – beispiels­weise Gold – zu beeinflussen, als auch die Orientierung der Carbene senkrecht oder parallel zu einer Oberfläche zu kontrol­lieren. Eine Besonderheit der verwendeten haloge­nierten NHCs ist ihre Fähigkeit zur spontanen Ad-Atom-Bildung auf Edel­metall­ober­flächen und die dadurch entstehende Mobilität. Diese ist eine Voraus­setzung für das Zusammen­treffen und die Reaktion mit anderen reaktiven Systemen auf der Oberfläche.

„Für den Erfolg der Experimente war die Balance zwischen chemischer Reaktivität der monomeren Struktur­einheiten und ihrer Mobilität entscheidend“, fasst Jindong Ren vom National Center for Nanoscience and Technology in China zusammen. Einerseits können sich die Monomere durch die Ballbot-Eigenschaft leicht auf der Oberfläche bewegen, anderseits muss die Kontaktzeit der Reaktions­partner ausreichend lang sein, um die Reaktion zu veranlassen. Das gelingt vor allem durch die molekulare Struktur und die passende Einstellung der Temperatur während des Experiments.

Die Kontrolle der chemischen Reaktionen und der Nachweis der gewünschten Reaktions­produkte im Bereich der Oberflächen-Präzisions­chemie erfordert hoch­spezia­li­sierte präparative und analytische Experimente, die es erlauben, molekulare Interaktionen auf Oberflächen und einzelne Reaktions­schritte auf sub­mole­kularer Skala zu beobachten. Dafür setzten die Forscher Methoden der Raster­sonden­mikro­skopie sowie Photo­elektronen­spektro­skopie ein, um die chemischen Bindungs­verhält­nisse aufzu­klären und den Nachweis der Ballbot-Strukturen zu führen. Komplementär hierzu ergänzten sie die experi­men­tellen Ergebnisse durch aufwändige Computer­simula­tionen, basierend auf quanten­mecha­nischen Ansätzen und reaktiven Kraft­feldern. Damit bestätigten sie die experi­men­tellen Ergebnisse und quanti­fi­zierten die elektro­nischen und struk­tu­rellen Eigen­schaften der Ballbot-Polymere.

WWU Münster / RK

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