04.12.2009

Physiker zum Stand des Bologna-Prozesses

Überwiegend positive Bilanz, doch Warnung vor Verschulung und Plädoyer für freien Zugang zum Masterstudium.

Überwiegend positive Bilanz, doch Warnung vor Verschulung und Plädoyer für freien Zugang zum Masterstudium.

Vor dem Hintergrund der Proteste zahlreicher Studierender für bessere Studienbedingungen sprechen sich die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) und die Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP) für einen freien Zugang zum Masterstudium aus. Zudem warnen sie vor der Verschulung des Physikstudiums und übertriebenem Prüfungsdruck. „Dies ist eine Fehlentwicklung“, sagt Gerd Ulrich Nienhaus, KFP-Sprecher und im Vorstand der DPG für das Ressort „Bildung und wissenschaftlicher Nachwuchs“ verantwortlich. Trotz mancher Kritik zieht Nienhaus eine überwiegend positive Bilanz des „Bologna-Prozesses“: „Das Ziel eines europäischen Hochschulraums ist uneingeschränkt erstrebenswert. Was das Physikstudium angeht, zählt Deutschland zu jenen Staaten, die die Bologna-Beschlüsse schon am weitesten umgesetzt haben. Die Umstellung auf Bachelor- und Master-Programme ist nahezu flächendeckend erfolgt, und die neuen Studienangebote werden gut angenommen.“

Durch den Bologna-Prozess hat sich im Physikstudium die Zahl der Zwischenprüfungen, die in die Abschlussnote eingehen, deutlich erhöht. Straffe Organisation und hohes Arbeitspensum prägen die neuen Lehrpläne. „Physik war stets ein anspruchsvolles Studium, das den Studierenden viel abverlangt. Aber die vielen studienbegleitenden Modulprüfungen, die nun vorgeschrieben sind, treiben manchen Studierenden bis an die Belastungsgrenze“, räumt Nienhaus ein. Dies sei eine unangemessene Verschulung. „Auch lernen die Studierenden nur punktuell den Stoff einzelner Module, und das Verständnis der Zusammenhänge zwischen den Teilgebieten der Physik bleibt auf der Strecke. Gerade diesen breiten Überblick schätzt der Arbeitsmarkt seit jeher bei Physik-Absolventen.“ Die Zahl der Prüfungen zu reduzieren hält Nienhaus daher für dringend notwendig. „Die Physikfachbereiche werden dies im Rahmen ihrer Möglichkeiten tun. Letztlich sind sie jedoch an die Hochschulgesetzgebung der Länder und an die Vorgaben der Akkreditierungsagenturen gebunden.“

An die Politik wendet sich auch Nienhaus’ Appell nach einer besseren Ausstattung der Universitäten: „Die neu strukturierten Studiengänge erfordern einen höheren Betreuungsaufwand als das klassische Physikstudium. Von den Landesregierungen fordern wir daher eine angemessene finanzielle und personelle Ausstattung der Physik-Fachbereiche.“

Freier Zugang zum Masterstudium

Zudem bekräftigen die DPG und die KFP ihr Plädoyer für einen ungehinderten Zugang zum Masterstudium. „Eine Quotenregelung, wie sie immer wieder ins Spiel gebracht wird, lehnen wir nachdrücklich ab“, sagt Nienhaus. „Nur der Master entspricht dem hohen Ausbildungsstandard des klassischen Physik-Diploms. Dieser Karriereweg sollte allen Interessenten offen stehen.“

Promotion kein Bestandteil der Hochschulausbildung

Der Bologna-Prozess hat auch eine engere Einbindung der Promotion in die Hochschulausbildung ins Gespräch gebracht. Die DPG und die KFP sprechen sich ausdrücklich gegen eine solche Eingliederung in Gestalt einer weiteren Studienphase aus. „Physik-Doktoranden sind berufstätige Wissenschaftler, keine Studierenden“, betont Nienhaus. „Ein Großteil der physikalischen Forschung wird hierzulande von Doktorandinnen und Doktoranden geleistet. Werden allgemeine Lehrveranstaltungen in die Promotionsphase verschoben, so geht das zu Lasten der Forschungsleistung. So fördert man gewiss keine Spitzenforschung.“

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