22.08.2023 • MaterialwissenschaftenEnergie

Per KI auf der Suche nach besseren Energie-Materialien

Identifikation von über fünfzig stark wärmeisolierenden Materialien demonstriert Stärke des neuen Verfahrens.

Wissenschaftler des Fritz-Haber-Instituts der MPG haben einen auf künstlicher Intelligenz basierenden Ansatz vorgeschlagen, mit der sich die Suche nach neuartigen Materialien mit verbesserten Eigenschaften dramatisch beschleunigen lässt. Die Vorteile dieser Strategie wurden durch die Identi­f­ikation von mehr als fünfzig stark wärme­isolie­renden Materialien demonstriert. Solche Materialien können dazu beitragen, die anhaltende Energiekrise zu lindern. Diese sind nämlich die Grundlage für die Entwicklung effizienter thermo­elek­trischer Elemente, die ungenutzte Abwärme in nutzbaren elektrischen Strom umwandeln.

Abb.: Schema­tische Dar­stel­lung des Hoch­durch­satz-Arbeits­ab­laufs...
Abb.: Schema­tische Dar­stel­lung des Hoch­durch­satz-Arbeits­ab­laufs (links). Ein Streu­dia­gramm zeigt die vor­her­ge­sagte Wärme­leit­fähig­keit für 227 thermo­dyna­misch stabile elek­trische Iso­la­toren so­wohl aus einem SISSO- als auch aus einem Kernel-Ridge-Regres­sion-Modell. (Bild: T. Purcell, HHI)

Da heutzutage mehr als vierzig Prozent der weltweit genutzten Energie als Abwärme verpufft, ist die Entdeckung neuer und verbesserter thermo­elek­trischer Materialien von entscheidender Bedeutung, um wachsenden Heraus­forderungen des Klimawandels entgegen­zuwirken. Eine Möglichkeit, die thermo­elektrische Effizienz eines Materials zu erhöhen, besteht darin, seine Wärme­leit­fähig­keit zu reduzieren und somit das für den thermo­elektrischen Effekt benötigte Temperatur­gefälle aufrecht­zu­erhalten. Da aber sowohl die experi­mentelle als auch die rechnerische Bestimmung der Wärmeleit­fähigkeit kosten- und arbeits­intensiv ist, beschränkten sich bisherige Unter­suchungen auf nur eine verschwindend kleine Auswahl von Materialien. Mit dem jetzt entwickelten KI-Ansatz lassen sich Materialien hierarchisch aussortieren, so dass die Kosten reduziert und bei gleich­bleibenden Aufwand viel mehr Materialien untersucht werden können.

Bei dem Verfahren werden Materialien nicht, wie sonst üblich, anhand von physikalischer oder chemischer Intuition du bekannten oder vermuteten Trends ausgewählt oder aussortiert. Stattdessen nutzt das neue Verfahren fort­schritt­liche KI-Methoden, um aus vorhandenen Daten die Bedingungen zu lernen, die zum gewünschten Ergebnis führen. Diese Arbeit hat daher das Potenzial, die Suche nach neuen Materialien mit Hilfe von quantitativen Vorhersagen zu beschleunigen.

Der erste Schritt bei diesem neuartigen Ansatz besteht darin, fortge­schrittene statistische KI-Methoden zu verwenden, um die gewünschte Eigenschaft – in diesem Fall die Wärmeleit­fähigkeit – zu modellieren. Zu diesem Zweck wird die „Sure-Independence Screening and Sparsifying Operator“-Methode SISSO verwendet, die die grund­legenden Abhängig­keiten zwischen verschiedenen Material­eigen­schaften aus einer Vielzahl möglicher Zusammenhänge enthüllt. Dabei ist dieser Ansatz im Vergleich zu anderen „Black-Box“-KI-Modellen ähnlich genau, liefert aber zusätzlich noch analytische Beziehungen zwischen verschiedenen Material­eigen­schaften. Das ermöglicht es dann auch, mit modernen mathema­tischen Metriken heraus­zu­finden, welche Material­eigen­schaften unter welchen Umständen für welche Ziel­eigen­schaft am einfluss­reichsten sind. Im Fall von der Wärmeleit­fähigkeit sind es das molare Volumen, die Debye-Temperatur im Hoch­temperatur­grenzwert und die Anharmonizitäts­metrik.

Darüber hinaus ermöglicht die statistische Analyse, Regeln für die einzelnen Merkmale zu bestimmen, die es erlauben, a priori abzuschätzen, ob ein Material überhaupt ein Wärme­isolator sein kann. Auf diese Weise lassen sich dann hierarchische Entscheidungs­pyramiden erstellen, mit denen sich die Suche nach neuen Wärme­isolatoren effizient gestalten lässt. Dabei werden in jedem Schritt die benötigten Material­eigen­schaften mit Hilfe von modernsten und genauesten Methoden der Elektronen­struktur­theorie berechnet. Basierend auf den im jeweiligen Schritt berechneten Eigenschaften, werden dann auch Materialien ausgesiebt, bei denen es sehr unwahr­schein­lich ist, dass sie gute Isolatoren sind. Damit kann die Anzahl der Berechnungen, die benötigt werden, um Wärme­isolatoren zu finden, um mehr als zwei Größen­ordnungen reduziert werden. In diesem Fall konnten zum Beispiel 96 Wärme­isolatoren aus einem anfänglichen Satz von 732 Materialien gefunden werden. Für vier dieser Vorhersagen wurde anschließend eine hoch­akkurate Methode angewendet, um die Wärmeleit­fähigkeit zu berechnen und die Zuverläs­sig­keit dieses Ansatzes zu demonstrieren.

Der Nutzen dieses neuen Formalismus ist nicht auf die aktive Suche nach neuen thermo­elek­trischen Materialien beschränkt: Er lässt sich ähnlich auch auf andere dringliche Probleme der Material­wissen­schaft anwenden.

FHI / RK

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