Per KI auf der Suche nach besseren Energie-Materialien
Identifikation von über fünfzig stark wärmeisolierenden Materialien demonstriert Stärke des neuen Verfahrens.
Wissenschaftler des Fritz-Haber-Instituts der MPG haben einen auf künstlicher Intelligenz basierenden Ansatz vorgeschlagen, mit der sich die Suche nach neuartigen Materialien mit verbesserten Eigenschaften dramatisch beschleunigen lässt. Die Vorteile dieser Strategie wurden durch die Identifikation von mehr als fünfzig stark wärmeisolierenden Materialien demonstriert. Solche Materialien können dazu beitragen, die anhaltende Energiekrise zu lindern. Diese sind nämlich die Grundlage für die Entwicklung effizienter thermoelektrischer Elemente, die ungenutzte Abwärme in nutzbaren elektrischen Strom umwandeln.
Da heutzutage mehr als vierzig Prozent der weltweit genutzten Energie als Abwärme verpufft, ist die Entdeckung neuer und verbesserter thermoelektrischer Materialien von entscheidender Bedeutung, um wachsenden Herausforderungen des Klimawandels entgegenzuwirken. Eine Möglichkeit, die thermoelektrische Effizienz eines Materials zu erhöhen, besteht darin, seine Wärmeleitfähigkeit zu reduzieren und somit das für den thermoelektrischen Effekt benötigte Temperaturgefälle aufrechtzuerhalten. Da aber sowohl die experimentelle als auch die rechnerische Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit kosten- und arbeitsintensiv ist, beschränkten sich bisherige Untersuchungen auf nur eine verschwindend kleine Auswahl von Materialien. Mit dem jetzt entwickelten KI-Ansatz lassen sich Materialien hierarchisch aussortieren, so dass die Kosten reduziert und bei gleichbleibenden Aufwand viel mehr Materialien untersucht werden können.
Bei dem Verfahren werden Materialien nicht, wie sonst üblich, anhand von physikalischer oder chemischer Intuition du bekannten oder vermuteten Trends ausgewählt oder aussortiert. Stattdessen nutzt das neue Verfahren fortschrittliche KI-Methoden, um aus vorhandenen Daten die Bedingungen zu lernen, die zum gewünschten Ergebnis führen. Diese Arbeit hat daher das Potenzial, die Suche nach neuen Materialien mit Hilfe von quantitativen Vorhersagen zu beschleunigen.
Der erste Schritt bei diesem neuartigen Ansatz besteht darin, fortgeschrittene statistische KI-Methoden zu verwenden, um die gewünschte Eigenschaft – in diesem Fall die Wärmeleitfähigkeit – zu modellieren. Zu diesem Zweck wird die „Sure-Independence Screening and Sparsifying Operator“-Methode SISSO verwendet, die die grundlegenden Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Materialeigenschaften aus einer Vielzahl möglicher Zusammenhänge enthüllt. Dabei ist dieser Ansatz im Vergleich zu anderen „Black-Box“-KI-Modellen ähnlich genau, liefert aber zusätzlich noch analytische Beziehungen zwischen verschiedenen Materialeigenschaften. Das ermöglicht es dann auch, mit modernen mathematischen Metriken herauszufinden, welche Materialeigenschaften unter welchen Umständen für welche Zieleigenschaft am einflussreichsten sind. Im Fall von der Wärmeleitfähigkeit sind es das molare Volumen, die Debye-Temperatur im Hochtemperaturgrenzwert und die Anharmonizitätsmetrik.
Darüber hinaus ermöglicht die statistische Analyse, Regeln für die einzelnen Merkmale zu bestimmen, die es erlauben, a priori abzuschätzen, ob ein Material überhaupt ein Wärmeisolator sein kann. Auf diese Weise lassen sich dann hierarchische Entscheidungspyramiden erstellen, mit denen sich die Suche nach neuen Wärmeisolatoren effizient gestalten lässt. Dabei werden in jedem Schritt die benötigten Materialeigenschaften mit Hilfe von modernsten und genauesten Methoden der Elektronenstrukturtheorie berechnet. Basierend auf den im jeweiligen Schritt berechneten Eigenschaften, werden dann auch Materialien ausgesiebt, bei denen es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie gute Isolatoren sind. Damit kann die Anzahl der Berechnungen, die benötigt werden, um Wärmeisolatoren zu finden, um mehr als zwei Größenordnungen reduziert werden. In diesem Fall konnten zum Beispiel 96 Wärmeisolatoren aus einem anfänglichen Satz von 732 Materialien gefunden werden. Für vier dieser Vorhersagen wurde anschließend eine hochakkurate Methode angewendet, um die Wärmeleitfähigkeit zu berechnen und die Zuverlässigkeit dieses Ansatzes zu demonstrieren.
Der Nutzen dieses neuen Formalismus ist nicht auf die aktive Suche nach neuen thermoelektrischen Materialien beschränkt: Er lässt sich ähnlich auch auf andere dringliche Probleme der Materialwissenschaft anwenden.
FHI / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
T. A. R. Purcell et al.: Accelerating materials-space exploration for thermal insulators by mapping materials properties via artificial intelligence, npj Comput. Mater. 9, 112 (2023); DOI: 10.1038/s41524-023-01063-y - NOMAD Laboratory – Novel Materials Discovery, Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft , Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin