30.08.2023 • OptikMedizinphysik

Per Gitter-Interferometrie Brustkrebs früher erkennen

Auflösung der CT-Bilder bei gleicher Strahlendosis deutlich verbessert.

Patientinnen und Ärzte können auf eine deutliche Verbesserung bei der Brustkrebs­vorsorge hoffen. Einem Forschungsteam des Paul-Scherrer-Instituts und der ETH Zürich ist es zusammen mit dem Kantonsspital Baden und dem Universitäts­spital Zürich gelungen, das Durch­leuchtungs­verfahren zur Früh­erkennung von Tumoren so weiter­zu­entwickeln, dass es erheblich zuverlässigere Ergebnisse liefert und weniger unangenehm für die Patientin ist. Die Forscher haben dabei die herkömmliche Computer­tomographie so erweitert, dass die Auflösung der Bilder bei gleicher Strahlendosis deutlich verbessert wird. So sind etwa Mikro­kalzi­fi­zierungen, die Tumore der Brust anzeigen können, potenziell früher als bislang erkennbar, was die Überlebens­chancen erhöhen könnte. Nach Ansicht der Experten könnte sich das Verfahren auf Basis des Röntgen­phasen­kontrasts zügig in die klinische Anwendung bringen lassen. „Ein bisschen Zeit brauchen wir noch“, bremst Marco Stampanoni, Forschungs­gruppen­leiter am PSI zwar die Erwartungen, „aber wir haben mit unserer Arbeit einen wichtigen Schritt auf dem Weg dahin gemacht.“

Abb.: Michal Rawlik (links) und Marco Stampanoni hoffen, die...
Abb.: Michal Rawlik (links) und Marco Stampanoni hoffen, die Brust­krebs­diagnostik mit einem neuen Ver­fahren ent­schei­dend ver­bes­sern zu können. (Bild: M. Fischer, PSI)

Je früher es eine gesicherte Diagnose gibt und die passende Therapie einsetzen kann, desto höher sind die Überlebens­chancen bei Brustkrebs. Jedoch ist umstritten, wie wirksam die Mammografie ist. Kontroll­studien stellten fest, dass nur 46 Prozent der im Screening entdeckten Verdachtsfälle tatsächlich Krebsfälle sind. Ein derartiger falscher Alarm hat für Betroffene große psychische Belastungen zur Folge, da es zwei bis drei Wochen dauern kann, bis das Ergebnis der Biopsie schließlich Entwarnung bringt. Daneben übersieht die Mammografie 22 Prozent der tatsächlichen Fälle, wiegt Betroffene also in Sicherheit, obwohl sie erkrankt sind. Das ist noch gravierender, da wertvolle Therapie-Zeit verstreicht.

Der Grund für die Schwächen ist, dass Mammografie-Bilder selbst für Fachkräfte schwer zu lesen sind. Das weiche Gewebe der Brust bietet beim Röntgen nur einen begrenzten Kontrast. Zudem bleibt das komplizierte Innere der Brust bei zwei­dimen­sionaler Durchleuchtung oft unklar. Um für die Röntgen-Untersuchung überhaupt zugänglich zu sein, muss die Brust stark zusammen­gedrückt werden. Für Frauen ist das häufig unangenehm, manchmal schmerzhaft, was dazu führt, dass manche nicht zur Vorsorge gehen.

Beim Röntgenphasen­kontrast erweitern Forscher die Tumordiagnostik mit zusätzlichen physikalischen Informationen. Das heißt, sie ziehen Informationen zur Bild-Erstellung heran, die beim konventionellen Röntgen unberück­sichtigt bleiben. Das sind die Signale, die bei der Brechung und der Streuung der Strahlen am biologischen Gewebe entstehen. Denn Licht, nichts anderes sind Röntgenstrahlen, wird bei der Passage von Strukturen unter­schied­licher Dichte nicht nur abgeschwächt, sondern auch gebrochen und gebeugt. Mithilfe dieser Informationen lassen sich sowohl der Kontrast der Bilder als auch deren Auflösung verbessern, kleinste Objekte sind leichter zu identifizieren.

Die Forscher nutzen eine Methode, die aus der physikalischen Messtechnik bekannt ist, die Gitter-Interferometrie. Die Röntgenstrahlen passieren nicht nur das zu untersuchende Objekt, sondern zusätzlich drei Gitter mit einem Linienabstand von wenigen Mikrometern, welche die zusätzlichen Informationen sichtbar machen. Das dafür nötige Röntgenlicht lässt sich mit einer konventionellen Röntgenquelle erzeugen und entspricht etwa der Strahlendosis, die auch bei konventionellen Computer-Tomografien der Brust auftritt. „Unser Ziel ist eine Verringerung der Dosis um einen Faktor zwei bis drei bei gleich­bleibender Auflösung oder eine Erhöhung der Auflösung um 18 bis 45 Prozent – jeweils im Vergleich zum herkömmlichen Röntgen“, erklärt Physiker Michał Rawlik von der ETH Zürich.

Die Genehmigung von Swissmedic vorausgesetzt, planen die Forscher mit dem Start von klinischen Versuchen zusammen mit den klinischen Partnern bis Ende 2024. Bis dahin soll ein Prototyp des dazu notwendigen Gerätes einsatzbereit sein, mit dem erste Untersuchungen an Patientinnen stattfinden können. Für diese Testreihen planen die Forscher eine Projektdauer von ein bis zwei Jahren. Falls alles wie geplant läuft, kann danach mit der Entwicklung des kommerziellen Geräts und Studien in ausgewählten Kliniken begonnen werden.

Auch was den Komfort der Vorsorgemethode angeht, soll sich durch die Neuentwicklung einiges verbessern. Das Gerät wird so aufgebaut sein, dass die Patientin bäuchlings auf einer Liegefläche mit Aussparungen im Brustbereich ruhen kann. Darunter und von der Patientin abgeschirmt befindet sich der Tomograph, dessen Mess­einrichtung um die Brüste rotiert und ein drei­dimen­sionales Bild erstellt. Dank des Röntgenphasenkontrasts können feine Gewebedetails sichtbar gemacht werden. In dem trans­latio­nalen Projekt soll das Potenzial dieser Technik bei der Früherkennung von Brustkrebs ausgelotet werden. Die Forscher hoffen, dass Patientinnen schon bald von den Fortschritten profitieren können.

PSI / RK

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