Paul-Ehrenfest-Preis für Publikation zur Quantenkontextualität
Auszeichnung für zwei Physiker der Uni Siegen und ihren Kollegen aus China.
Großer Erfolg für Physiker der Uni Siegen: Für den Beweis einer 25 Jahre alten Vermutung im Bereich der Quantenphysik erhalten Zhen-Peng Xu, Otfried Gühne und ihr Kollege Jing-Ling Chen aus Tianjin in China den Paul-Ehrenfest-Preis. Das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien zeichnet damit jährlich die international beste Publikation über Grundlagenprobleme der Quantenphysik aus. Paul Ehrenfest war ein österreichischer Physiker und Freund von Albert Einstein, der bahnbrechende Resultate über die Quantenphysik erzielte.
In ihrer preisgekrönten Veröffentlichung haben sich die drei Forscher mit einem grundlegenden Phänomen beschäftigt, der Quantenkontextualität. Danach sollte man sich davor hüten, von möglichen Mess-Resultaten zu sprechen, wenn man eine Messung nicht tatsächlich durchgeführt hat. „In vielen Alltagssituationen, zum Beispiel in der Schule oder bei der Führerscheinprüfung, geht es darum, Fragen zu stellen oder zu beantworten“, erklärt Xu. „Zu einer Frage gehört dabei immer auch eine eindeutige Antwort. Diese Antwort existiert unabhängig davon, ob die Frage tatsächlich gestellt wurde oder nicht.“
Außerhalb der Quantenphysik erscheint das logisch – der Kanadier Simon Kochen und der Schweizer Ernst Specker zeigten jedoch schon vor über fünfzig Jahren, dass die Quantenphysik anders funktioniert. Die beiden Physiker konstruierten einen Satz von 117 Messungen, die als Fragen an ein physikalisches System verstanden werden können. Nimmt man dann jedoch an, dass all diese Fragen eindeutige und vorherbestimmte Antworten haben, so ergibt sich ein Widerspruch.
Das Originalargument von Kochen und Specker ist kompliziert, weshalb in den Folgejahren viele Physiker und Mathematiker versuchten, einfachere Argumente zu finden. Im Jahr 1996 fand der spanische Physiker Adán Cabello schließlich einen Beweis, der statt 117 nur 18 Messungen, beziehungsweise Fragen benötigte. Doch ist das bereits der einfachste Beweis? Oder ist es eventuell auch mit noch weniger Messungen möglich, einen Widerspruch der Quantenphysik zum klassischen Verständnis nachzuweisen? Das blieb offen und konnte trotz intensiver Forschungen nicht gezeigt werden.
Xu und seinen Kollegen gelang es jetzt zu beweisen, dass kein einfacheres Argument möglich ist. Der Trick der Forscher bestand darin, das Problem in die Sprache der Graphentheorie zu übersetzen: Die 18 Fragen werden dabei als graphisches Schaubild dargestellt, bei dem verschiedene Gruppen von Knotenpunkten nach bestimmten Regeln miteinander verbunden sind.
„Xu hatte die schöne Idee, die Graphentheorie mit Methoden der Optimierung zu verbinden, um das alte Problem neu anzugehen“, erläutert Gühne. „Durch seine Resultate können wir nun die einfachsten Situationen untersuchen, in denen Quantenkontextualität vorkommt. Damit können wir zum Beispiel klären, in welchen Fällen sie der Grund dafür ist, dass Quantencomputer schneller sind als klassische Computer.“
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
Z.-P. Xu, J.-L. Chen & O. Gühne: Proof of the Peres Conjecture for Contextuality, Phys. Rev. Lett. 124, 230401 (2020); DOI: 10.1103/PhysRevLett.124.230401 - Theoretische Quantenoptik (O. Gühne), Naturwissenschaftlich-technische Fakultät, Universität Siegen
- O. Gühne und M. Kleinmann, Auf den Kontext kommt es an, Physik Journal, Februar 2013, S.25 PDF