12.04.2023 • BiophysikMedizinphysik

Neutronen für bessere Impfstoffe gegen multiresistente Keime

Mithilfe der Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz können Forscher die Struktur von Biomolekülen untersuchen.

Bei vielen neuen Impfstoffen ist der Wirkstoff eingebettet in Liposome. Diese nano­sko­pischen Biomoleküle genau zu charakte­ri­sieren und zu verstehen ist ein Schlüssel­faktor bei der Entwicklung und Optimierung künftiger Vakzine. Einem inter­nationalen Forschungs­team gelang es jetzt, mithilfe der Neutronen­quelle Heinz Maier-Leibnitz FRM II an der TU München, die Struktur eines Impf­stoff­kandidaten gegen multi­resistente Bakterien der Gattung Pseudomonas aeruginosa zu analysieren.

Abb.: Neutronen­klein­winkel­anlage: Neutronen der...
Abb.: Neutronen­klein­winkel­anlage: Neutronen der Forschungs-Neutronen­quelle Heinz Maier-Leibnitz lassen sich nutzen, um die Struktur von Bio­mole­külen auf­zu­spüren. Der jüngste Erfolg: die präzise Analyse eines erfolg­ver­sprechen­den Impf­stoffs gegen multi­resis­tente Keime. (Bild: B. Ludewig, FRM II, TUM)

Das Vakzin besteht aus etwa hundert nanometer­großen Bio­molekülen. Diese werden über­wiegend aus fett­ähn­lichen Substanzen gebildet, den Lipiden. Diese Lipide formieren sich aufgrund ihrer bio­chemischen Eigen­schaften zu Bläschen, Liposome genannt, in denen die eigent­lichen Wirkstoffe geschützt und trans­portiert werden. Im Fall des Vakzins gegen Pseudomonas aeruoginosa ist dieser Wirkstoff das Protein OprF. „Grund­sätz­lich kann der Wirkstoff an verschiedenen Positionen des Liposoms andocken – beispiels­weise außen oder innen“, erklärt Marco Maccarini, Biophysiker an der Universität Grenoble in Frankreich. „Er wird besser vom Immunsystem erkannt, wenn er in die doppelte Lipidschicht eingebunden ist. Der Aufbau der Biomoleküle ist daher entscheidend für die Wirkung eines Vakzins.“

Mit bloßem Auge lassen sich solche Details nicht erkennen. Auch Licht­mikro­skope haben eine zu geringe Auflösung für die Unter­suchung von Liposomen. Röntgen­strahlung ist zwar kurz­welliger, für die Struktur-Analyse jedoch nicht geeignet, weil die Bestrahlung unter bestimmten Umständen die Biomoleküle schädigt. „Neutronen­strahlen hingegen sind ideal: Sie interagieren nur mit den Atomkernen, was zu keinen Schäden oder struktu­rellen Veränderungen führt. So lassen sich die Proben in ihrem ursprüng­lichen Zustand untersuchen“, erläutert Maccarini.

Am FRM II in Garching fand der Forscher alles, was er für die Analyse des neuen Impfstoff­kandidaten brauchte: einen hohen Neutronen­fluss, ein gut ausge­stattetes Labor und mit Aurel Radulescu einen Experten für die Messung von Klein­winkel­streuung, mit der sich Moleküle, die einige Nanometer groß sind, detailliert untersuchen lassen.

„Die Herausforderung lag in diesem Fall darin, mit Hilfe des Diffrakto­meters, das die Streuung der Neutronen durch die Atomkerne misst, die Proteine und die Lipide in der Probe zu unter­scheiden“, erläutert Radulescu, der für das Forschungs­zentrum Jülich die Neutronen­klein­winkel­anlage KWS-2 am FRM II betreut. Diese Differen­zierung sei schließlich durch einen Trick gelungen, so der Forscher: „Wir haben die Messungen mit unter­schied­lichen Lösungs­mittel­kombi­na­tionen durch­geführt – normalem Wasser und deuterium­haltigem, schwerem Wasser, in unter­schied­lichen Misch­ver­hält­nissen.“ Da Neutronen normalen Wasserstoff und Deuterium unter­schiedlich sehen, entstanden Bilder der Probe mit unter­schiedlichen Kontrasten, die unter­schiedliche Informationen enthalten.

Für die Auswertung entwickelte das Forschungsteam ein Computer­modell, das die Struktur des Vakzin-Kandidaten darstellt. „Wir konnten auf diese Weise nicht nur die zweilagige Struktur der Lipide sichtbar machen, sondern auch die durch­schnitt­liche Position und Menge des OprF -Wirkstoffs ermitteln, der eingebettet ist zwischen die beiden Lipid­schichten“, so Radulescu. Das neue Modell lässt sich auch nutzen, um die Struktur neuer liposom­basierter Impfstoffe zu erforschen und deren Entwicklung zu optimieren.

TUM / RK

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