24.02.2023 • NanophysikMikroskopieMikrotechnik

Neue Analysemethode für Nano- und Quantenmaterialien

Per Elektronenmikroskopie lassen sich ultraschnelle Filme von Nano-Prozessen erstellen.

Vorgänge auf der Nanoskala laufen hingegen im Femto­sekunden-Bereich ab: Nur Milliardstel-Sekunden braucht zum Beispiel ein Elektron, um ein Wasserstoff-Atom zu umkreisen. Physiker in aller Welt forschen mit speziellen Instrumenten daran, solche ultra­schnellen Nano-Prozesse in Filmen festzuhalten. Forscher der Uni Kiel haben jetzt eine neue Methode für solche Filme entwickelt. Sie basiert auf einem anderen physikalischen Konzept als bisher und erlaubt damit weitere und präzisere Unter­suchungs­möglich­keiten. Dafür kombinierten sie ein Elektronen­mikroskop mit nano­struktu­rierten dünnen Metallschichten, die sehr kurze Lichtpulse erzeugen. So konnten sie in einem ersten Experiment kohärente Wechsel­wirkungen von Licht und Elektronen in einem Halbleiter filmisch dokumentieren.

Abb.: Schematische Dar­stel­lung der neu ent­wickelten Methode für Filme...
Abb.: Schematische Dar­stel­lung der neu ent­wickelten Methode für Filme mit dem Elek­tronen­mikro­skop. (Bild: M. Taleb, CAU Kiel)

Bislang wurden Filme von ultraschnellen Nano-Prozessen in der Regel mit Hochleistungs­lasern erzeugt, kombiniert mit Elektrone­nmikroskopen. Doch die großen und komplexen Aufbauten können sich nur wenige Forschungsgruppen leisten. „Unser Konzept für Elektronen­mikroskope kommt ohne teure und komplizierte Laser aus und kann leicht nachgebaut werden“, sagt Nahid Talebi von der Uni Kiel.

In Elektronenmikroskopen werden Elektronen zu einem Strahl gebündelt, beschleunigt und auf eine Materialprobe gerichtet. Wie die Elektronen die Probe durchdringen oder von ihr reflektiert werden, lässt Rückschlüsse auf die Eigenschaften des Materials und die ablaufenden Prozesse im Inneren zu. „Elektronen­mikroskope haben eine deutlich bessere räumliche Auflösung als optische Mikroskope und machen Unter­suchungen im Nanometer­bereich erst möglich“, erläutert Talebi. Mit den speziellen Bauteilen, die sie entwickelt hat, lässt sich auch die zeitliche Auflösung von Elektronen­mikroskopen relativ einfach verbessern. So kann sie jetzt sogar ohne Laser ultra­schnelle Nano-Prozesse auf der Femto­sekunden-Zeitskala filmisch festhalten.

Mit ihrer aktuellen Untersuchung demonstriert Talebi nicht nur, dass ihre Methode funktioniert. Gemeinsam mit Masoud Taleb liefert sie auch den experimentellen Nachweis für kohärente Wechsel­wirkungen von Photonen und Elektronen in einem Halbleiter, die bisher nur theoretisch beschrieben worden waren. Das dafür genutzte Quanten­material Wolfram-Diselenid stammt aus einer Kooperation Kai Rossnagel.

Ein zentraler Baustein von Talebis Konzept ist ein spezielles Nanosieb, das sich in ein Elektronen­mikroskop einsetzen lässt und dort wie eine Lichtquelle funktioniert. Trifft ein Elektronen­strahl darauf, erzeugt das Lochmuster zielgerichtete, kurze Lichtpulse, mit denen sich die schnellen Filme erstellen lassen. Dafür bohrten die Forscher in eine dünne Goldfolie winzige Löcher von 25 bis 200 Nanometern Durchmesser. Die Größe und Abstände hatte Talebi exakt berechnet, denn die Lichtpulse entstehen nur bei einem bestimmten Muster. Hergestellt wurden die Nanosiebe in enger Zusammen­arbeit mit Mario Hentschel von der Uni Stuttgart. Gemeinsam mit Wissen­schaftlern aus Amsterdam hatte Talebi das Elektronen­mikroskop vorher so umgebaut, dass es Kathodo­lumineszenzen aufnehmen kann – Lichtsignale, die entstehen, wenn schnelle Elektronen auf Metall treffen.

In dem Experiment treffen die kurzen Lichtpulse aus den siebartigen Nanostrukturen auf die Wolfram-Diselenid-Probe. Dort regen sie Exzitonen an. Das sind Elektronen, die sich aus einem Atom gelöst haben, aber mit dem dort entstandenen Loch weiterhin in Verbindung stehen. „Wenn kurze Zeit später auch der etwas langsamere Elektronen­strahl auf die Halbleiter-Probe trifft, können wir an der Reaktion der Elektronen ablesen, wie sich die Exzitonen in der Zwischenzeit verhalten haben“, erklärt Talebi. Aus der Überlagerung des Elektronen­strahls und der Lichtpulse entstehen Kathodo­lumineszenz-Signale, die eine kohärente Wechselwirkung zwischen Elektronen und Photonen zeigen.

Um diese Prozesse in einem Film festhalten zu können, setzten die Forscher schließlich noch einen piezo­elektrischen Kristall in den Mikroskop­aufbau ein. Damit können sie den räumlichen Abstand zwischen der Lichtquelle und der Untersuchungsprobe präzise verändern und somit auch den zeitlichen Abstand, mit dem der Elektronenstrahl und die Lichtpulse auf die Probe treffen. „Wir können so zu verschiedenen Zeitpunkten des Prozesses Bilder aufnehmen und zu einem Film zusammen­setzen“, fasst Talebi zusammen.

An einem Konzept für Femto­sekunden-Filme mit dem Elektrone­nmikroskop, die keinen Laser benötigen, forschte Talebi schon als wissen­schaftliche Mitarbeiterin am MPI für Festkörper­forschung in Stuttgart. Für ihr Vorhaben, Elektronen­mikroskope mit Licht zu kombinieren und so ihre zeitliche Auflösung zu verbessern, erhielt die Physikerin einen ERC-Starting Grant des Europäischen Forschungsrats in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Seit 2019 realisiert sie das Projekt in ihrer Arbeitsgruppe Nano-Optik an der Uni Kiel. Das junge Forschungsgebiet beschäftigt sich unter anderem mit den Wechselwirkungen von Licht und Materie im Nanobereich. Ein besseres Verständnis davon hat zum Beispiel bereits besonders effiziente Quanten-Lichtquellen ermöglicht, mit denen sich in optischen Schaltkreisen verschlüsselte Informationen sicher übertragen lassen.

CAU Kiel / RK

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