Neuartige Defekte in Graphen-Nanobändern

Nanobänder mit Zickzack-Rändern als mögliche Plattform für Anwendungen in der Spintronik.

Wissenschaftler aus der Schweiz und den USA haben eine neue Art von Defekten als häufigste Quelle von struktureller Unordnung in auf Oberflächen synthetisierten Graphen-Nanobändern identifiziert, einer neuartigen Klasse von kohlen­stoff­basierten Materialien, die sich als äußerst nützlich für elektronische Bauteile der nächsten Generation erweisen könnte. Die Forscher identifi­zierten die atomare Struktur dieser Biss-Defekte und untersuchten ihren Einfluss auf die elektrische Leit­fähig­keit der Nanobänder. Mit gezielten Biss-Defekten versehene Nanobänder mit Zickzack-Rändern könnten eine geeignete Plattform für bestimmte Anwendungen in der Spintronik darstellen.

Abb.: „Bottom-up“-synthetisierte Zickzack-GNR (links), auf­ge­nommen im...
Abb.: „Bottom-up“-synthetisierte Zickzack-GNR (links), auf­ge­nommen im Raster­tunnel­mikro­skop. Spin-Dichte (rechts) in der Um­ge­bung eines Biss-Defekts in einem Zick­zack-GNR. (Bild: EMPA / EPFL / ACS)

Graphen-Nanobänder, englisch: graphene nanoribbons, kurz GNRs, sind schmale Streifen aus einlagigem Graphen. Sie haben aufgrund des Zusammenspiels zwischen atomarer und elektronischer Struktur interessante physikalische, elektronische, thermische und optische Eigenschaften. Ihre neuartigen Eigenschaften haben GNRs bei der Suche nach Möglichkeiten zur Weiter­ent­wicklung verschiedener nano­techno­logischer Anwendungen in den Blickpunkt gerückt.

Obwohl „Bottom-up“-Fertigungs­techniken die Synthese eines breiten Spektrums von GNRs ermöglichen, die sich durch eine wohl­definierte Kanten­geometrie und Breiten oder den Einbau von Heteroatomen auszeichnen, ist die Frage, ob und in welchem Ausmaß strukturelle Unordnung in diesen ansonsten atomar präzisen GNRs vorhanden ist, nach wie vor umstritten. Eine Klärung dieser Frage ist von entscheidender Bedeutung für potenzielle Anwendungen oder daraus resultierende elektronische Bauteile.

„Wir haben uns auf die Charakterisierung von Biss-Defekten in GNRs und deren Auswirkungen auf die Eigenschaften der GNRs konzentriert“, erklärt Gabriela Borin Barin von der Eidge­nös­sischen Material­prüfungs- und Forschungs­anstalt EMPA. „Wir haben beobachtet, dass das Vorhandensein dieser Defekte zwar den elektronischen Transport im GNR stören kann, dass sie aber auch spinpolarisierte Ströme erzeugen können. Das sind wichtige Erkenntnisse im Hinblick auf mögliche Anwendungen von GNRs in der Nanoelektronik und Quanten­technologie.“

Unter anderem haben sich die Forscher mit neun Atome breiten Sessel-GNRs beschäftigt. Die mechanische Robustheit, die Langzeit­stabilität unter Umgebungs­bedingungen, die einfache Übertrag­barkeit auf Zielsubstrate, die Skalierbarkeit der Herstellung und die geeignete Bandlücke dieser GNRs haben sie zu einem der vielver­sprechendsten Kandidaten für die Integration als aktive Kanäle in Feldeffekt­transistoren gemacht. In der Tat weisen solche 9-AGNR-FETs unter den bisher realisierten Graphen-basierten elektronischen Bauelementen die besten Eigenschaften auf.

Auch wenn die negative Rolle von Defekten in elektronischen Bauelementen bekannt ist, begrenzen Schottky-Barrieren – Potenzial­barrieren für Elektronen, die an Metall-Halbleiter-Übergängen entstehen – sowohl die Leistungsfähigkeit aktueller GNR-FETs als auch die experimentelle Charakteri­sierung des Einflusses von Defekten auf die Bauelement­leistung. Die Forscher haben daher experimentelle und theoretische Ansätze kombiniert, um Defekte in „Bottom-up“-AGNRs zu untersuchen.

Mit Hilfe von Rastertunnel- und Rasterkraft­mikroskopie konnten die Forscher zunächst fehlende Benzolringe an den Rändern als häufigsten Defekt in 9-AGNRs identifizieren und sowohl die Dichte als auch die räumliche Verteilung dieser Fehlstellen, die sie auf Grund ihres Aussehens als Biss-Defekte bezeichnet haben, abschätzen. Sie quantifi­zierten die Defektdichte und stellten fest, dass die Defekte dazu neigen, geballt aufzutreten. Anschließend untersuchten die Forscher mit Hilfe von Computer­berechnungen die Auswirkung solcher Defekte auf den Quanten­ladungs­transport und fanden heraus, dass Fehlstellen diesen an den Bandkanten erheblich stören, indem sie die Leit­fähig­keit verringern.

Diese theoretischen Erkenntnisse wurden dann systematisch auf breitere Nanobänder verallgemeinert, so dass die Forscher praktische Richtlinien für die Minimierung der schädlichen Rolle dieser Defekte auf den Ladungs­transport aufstellen konnten – ein entscheidender Schritt zur Realisierung neuartiger elektronischer Bauelemente auf Kohlen­stoff­basis. Dann kombinierte das Forscherteam rastersondenmikroskopische Experimente und Computer­berechnungen, um strukturelle Unordnung und deren Auswirkung auf Magnetismus und elektronischen Transport in Zickzack-GNRs zu untersuchen.

Solche ZGNRs sind einzigartig wegen ihrer unkonventionellen metallfreien magnetischen Ordnung, die laut Vorhersagen bis zu Raumtemperatur erhalten bleibt. Sie besitzen magnetische Momente, die entlang der Ränder ferromagnetisch und quer dazu antiferro­magnetisch gekoppelt sind, und es konnte gezeigt werden, dass die elektronischen und magnetischen Eigenschaften von ZGNRs in hohem Masse moduliert werden können, beispielsweise durch Ladungs­dotierung, elektrische Felder, Gitter­deformationen oder Defekt-Engineering. Die Kombination aus abstimmbaren magnetischen Korrelationen, beträchtlicher Bandlücken­breite und schwachen Spin-Bahn-Wechsel­wirkungen hat diese ZGNRs zu vielver­sprechenden Kandidaten für Spin-Logik-Operationen werden lassen. Die Wissenschaftler befassen sich spezifisch mit sechs Kohlenstoff-Zickzack­linien breiten GNRs, der einzigen Variante von ZGNRs, die bisher mit einem „Bottom-up“-Ansatz hergestellt werden konnte.

Wiederum unter Verwendung von Rastertunnel- und Rasterkraft­mikroskopie identifizierten die Forscher zunächst das Vorhandensein von Kohlenstoff-Vakanzdefekten an den Kanten der Nanobänder, und klärten dann deren atomare Struktur auf. Ihre Ergebnisse zeigen, dass jede Leerstelle einer fehlenden m-Xylol-Einheit entspricht, also einem Biss-Defekt, der wie bei den AGNRs aus der Spaltung einer C-C-Bindung resultiert, die während des Zyklodehydrierungs­prozesses als Nebenreaktion auftritt. Die Forscher schätzen, dass die Dichte der Biss-Defekte in 6-ZGNRs grösser ist als die der entsprechenden Defekte in AGNRs.

Der Einfluss dieser Biss-Defekte auf die elektronische Struktur und die Quanten­transport­eigen­schaften von 6-ZGNRs wurde ebenfalls theoretisch untersucht. Die Forscher fanden heraus, dass die Einführung von Defekten, ähnlich wie bei AGNRs, eine signifikante Störung der Leitfähigkeit verursacht. Darüber hinaus induzieren diese unbeabsichtigten Defekte in ZGNRs ein Untergitter- und Spin-Ungleichgewicht, wodurch ein lokales magnetisches Moment entsteht. Dies wiederum führt zu einem spinpolari­sierten Ladungs­transport, der defekte Zickzack-Nanobänder optimal geeignet macht für Anwendungen an der Grenze der Skalier­barkeit in der kohlenstoff­basierten Spintronik.

Ein Vergleich zwischen ZGNRs und AGNRs gleicher Breite zeigt, dass der elektronische Transport in ZGNRs weniger empfindlich auf sowohl einzelne als auch mehrere Defekte reagiert als in AGNRs. Insgesamt liefern die Untersuchungen ein umfassendes Bild der Auswirkungen von Biss-Defekten auf die nieder­energetische elektronische Struktur von „Bottom-up“-GNRs. Zukünftige Forschung könnte sich auf die Untersuchung anderer Arten von Punkt­defekten konzentrieren, die an den Kanten solcher Nanobänder beobachtet wurden, so die Forscher.

EMPA / RK

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