Mini-Neptun mit rätselhaftem Dunstschleier
Schicht in der oberen Atmosphäre des Planeten reflektiert die Strahlung des Zentralsterns ungewöhnlich stark.
Einem internationalen Forschungsteam ist es nach fast 15 Jahren vergeblicher Anstrengungen gelungen, einige Eigenschaften der Atmosphäre des Exoplaneten GJ 1214 b zu ermitteln. Dazu haben die Astronomen mit dem MIRI-Spektrographen des Weltraumteleskops James Webb die Infrarotstrahlung des als Mini-Neptun klassifizierten Planeten ausgemessen und mithilfe von Modellrechnungen ausgewertet. Die Ergebnisse deuten auf einen ungewöhnlich stark reflektierenden, dichten Dunstschleier in der Hochatmosphäre hin und zeigen Hinweise auf Wasserdampf und Methan.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Dunstschicht von GJ 1214 b anders zusammengesetzt sein muss, als wir es von den uns bekannten Himmelskörpern kennen“, sagt Maria Steinrück vom MPI für Astronomie in Heidelberg, Deutschland. Die Daten sind nur dadurch zu erklären, dass die Forscher eine Schicht in der oberen Atmosphäre des Planeten annehmen, die die Strahlung des zentralen Sterns, den GJ 1214 b in 38 Stunden einmal umkreist, ungewöhnlich stark reflektiert. Woraus diese Schicht jedoch besteht, bleibt nach wie vor ein Geheimnis, da keine der bisher vermuteten Zusammensetzungen eine zufriedenstellende Erklärung liefert. Die gängigen Kandidaten scheiden jedenfalls aus.
„Weder Rußteilchen noch Tholine reflektieren die Strahlung des Sterns ausreichend stark“, stellt Steinrück fest. Der Begriff „Tholine“ wurde von Carl Sagan geprägt, und beschreibt eine variable Mischung aus Kohlenwasserstoffen, die auf dem Saturnmond Titan und anderen Körpern des Sonnensystems zu finden ist. Vermutlich bestand die Atmosphäre der Ur-Erde ebenfalls zum Teil aus Tholinen.
Ähnlich wie auf der Erde die Ozonschicht mit der UV-Strahlung der Sonne reagiert, könnten vergleichbare Prozesse auch für die Produktion der chemischen Verbindungen des Dunstes verantwortlich sein, die in der Hochatmosphäre von GJ 1214 b und vielleicht vieler Mini-Neptune zu finden sind. Derzeit wird in verschiedenen Laboren intensiv danach geforscht, welche Stoffe das sein könnten. Organische Verbindungen sind derzeit die heißesten Kandidaten.
Erstmals belegen die neuen Beobachtungen auch, dass die Atmosphäre jenseits von Wasserstoff und Helium einen hohen Anteil an schweren Elementen haben muss. Das folgt aus den Modellrechnungen, die die gemessene Helligkeitsvariation des vom Planeten veränderten Sternlichts nachempfinden.
Die Astronomen haben mit ihrer Beobachtung einen vollständigen Umlauf von GJ 1214 b erfasst und somit seine Oberfläche von allen Seiten vermessen – das erste Mal bei einem Mini-Neptun. Das Licht, das GJ 1214 b von seinem Zentralstern empfängt dient dabei als eine Art Sonde. Etwaige Einflüsse des Planeten auf das Sternlicht zeigen sich dann in schwankenden Anteilen der Strahlung des Planeten.
Einen Hinweis auf die konkrete Zusammensetzung der Atmosphäre bieten die Messdaten auch. Wie bereits vermutet, besitzt dieser Planet wahrscheinlich Wasser, das als gasförmiger Dampf auftritt. „GJ 1214 b könnte daher eine Wasserwelt sein“, sagt Eliza Kempton von der University of Maryland. Allerdings könnten die Merkmale auch auf Methangas hindeuten. Eine Mischung aus beiden ist ebenfalls denkbar. Zur Klärung sind daher weitere Beobachtungen nötig.
MPIA / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
E. M.-R. Kempton et al.: A reflective, metal-rich atmosphere for GJ 1214b from its JWST phase curve, Nature, online 10. Mai 2023; DOI: 10.1038/s41586-023-06159-5 - Atmosphärenphysik der Exoplaneten, Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg