12.05.2023

Mikroskopie ohne Grenzen

Die neuesten Trends der hochauflösenden Mikroskopie sind Titelthema der aktuellen Ausgabe von „Physik in unserer Zeit“.

Wenn man in den Nachthimmel schaut, denkt man oft darüber nach, was da draußen ist. Wie schön wäre es, ferne Planeten mit einem leistungs­fähigen Teleskop beobachten zu können, welches alles so stark vergrößert, dass man direkt erkennen kann, ob dort Lebewesen leben. Dabei gibt es Teleskope schon seit über 400 Jahren. Sie werden ständig weiter­entwickelt, und obwohl es physikalische Grenzen gibt, können wir zunehmend mehr Details des Weltalls erforschen und verstehen. Technische Verbesserungen und moderne computer­gestützte Auswertungen sind hier der Schlüssel zum Erfolg. So konnte jüngst das James-Webb-Weltraum­teleskop spektakuläre Aufnahmen von Galaxien aufnehmen, die 13,1 bis 13,3 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt sind.

Abb.: Stefan Raunser ist Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare...
Abb.: Stefan Raunser ist Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund. Er ist ein Spezialist für Kryo-EM und arbeitet unter anderem an Grundlagen der Muskelkontraktion und des Zytoskeletts. (Bild: FotoAgenturRuhr)

Aber ist es nicht genauso spannend, das Leben auf unserem Planeten – und vor allem unseren eigenen Körper – im Detail zu verstehen? Um einen tieferen Einblick in den Aufbau unseres Körpers zu bekommen, um zu verstehen, aus welchen Makro­molekülen er aufgebaut ist und wie diese in Wechsel­wirkung und Koordination miteinander funktionieren, benutzen wir ein Mikroskop, das Pendant zum Teleskop.

Die Mikroskopie ist so alt wie die Astronomie, und bei beiden Methoden gab und gibt es ähnliche Hürden zu überwinden. Wichtige Parameter sind unter anderem die Wellenlänge, das Signal-zu-Rausch-Verhältnis sowie Auflösung und Kontrast. Die Lichtmikroskopie bedient sich moderner Verfahren, um das Auflösungslimit durch die Wellenlänge des Lichts zu überwinden und dringt so in Auflösungs­bereiche von 1-3 nm vor. Markus Sauer entwickelte mit seiner Gruppe die Methode der direct stochastic optical reconstruction microscopy (dSTORM). Wie diese Methode funktioniert und wie mit Hilfe der Photo­switching-Fingerprint-Analyse die Auflösungsgrenze unter 10 nm geschoben wird, erklären die Würzburger Kollegen in der neuen Ausgabe von „Physik in unserer Zeit“ ab Seite 124.

Die hochauflösende Fluoreszenz­mikroskopie kann zwar die Abstände zwischen den Fluoreszenz­farbstoffen mit hoher Genauigkeit teilweise sogar in lebenden Zellen bestimmen. Der Rest bleibt jedoch verborgen. Licht in dieses Dunkel bringt die Kryo-Elektronen­mikroskopie (Kryo-EM), die zudem keine Auflösungsgrenze durch die Wellenlänge des Lichts kennt und damit atomare Auflösung ermöglicht. Unter anderem wird die Kryo-EM eingesetzt, um die atomare Struktur einzelner isolierter Makro­moleküle zu bestimmen oder um Ausschnitte aus Zellen bei hoher Auflösung zu visualisieren.

Im Gegensatz zu früheren Methoden wird dabei die Probe nicht fixiert und in Plastik eingebunden, sondern direkt in amorphem Eis eingebettet. Computer­gestützte Auswertungen sind bei der Kryo-EM wichtig, um das Signal-zu-Rausch-Verhältnis und den Kontrast der finalen Strukturen zu verbessern. Claire Ortmann de Percin Northumberland und Carsten Sachse diskutieren ab Seite 116 der neuen „Physik in unserer Zeit“ die verschiedenen modernen Anwendungs­möglichkeiten der Kryo-EM.

Sowohl die hochauflösende Fluoreszenz­mikroskopie als auch die Kryo-EM haben ihre Vor- und Nachteile, aber beide Methoden ergänzen sich sehr gut und werden daher in der korrelativen Licht-Elektronen-Mikroskopie (CLEM) zusammen­geführt. Ziel dieser Methode ist es, nach der Beobachtung interessanter Moleküle in einer lebenden Zelle mit dem Licht­mikroskop, ein „Hinein-Zoomen“ mit dem Elektronen­mikroskop zu ermöglichen. So kann man die Strukturen der Moleküle bei höherer Auflösung bestimmen. Viele Forschergruppen weltweit stellen sich dieser Herausforderung.

Ein Traum wäre es, irgendwann einmal hochaufgelöste Videos direkt in einer Zelle drehen zu können, um zu sehen, wie die Moleküle auf atomarer Ebene miteinander wechselwirken und funktionieren. Es gibt natürlich physikalische Einschränkungen, aber ich bin mir sicher, dass die technischen Entwicklungen der nahen und fernen Zukunft uns ungeahnte Möglichkeiten und Einblicke in unseren Körper geben werden, von denen wir im Moment nur träumen können.

Stefan Raunser

 

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