Messungen der Methan-Konzentrationen an den Lecks von Nord Stream 1 und 2
Methanaustritt aus dem Meer sowie die lokale Ausbreitung der Emissionen untersucht.
Ersten Schätzungen zufolge sind aus den Lecks an den Erdgaspipelines Nord Stream 1 und 2 innerhalb weniger Tage zwischen hundert und fünfhundert Kilotonnen Methan ins Meer geströmt. Unklar ist dabei, welcher Anteil des Methans im Ozean verbleibt, und wieviel Methan in die Atmosphäre entweicht. In Zusammenarbeit mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen gelang es nun dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, der TU Braunschweig und weiteren Partnern erstmals direkt vor Ort in der Luft die Methankonzentrationen an den Lecks der Nord-Stream-Pipelines zu vermessen. Dazu bestückte das Forschungsteam eine Hubschraubermesssonde mit Instrumenten und flog diese am 5. Oktober über der Ostsee. Zudem werteten Forscher des DLR Radardaten sowie optische Satellitenaufnahmen aus, die den Gasaustritt bestätigen und den Verlauf ihrer Ausdehnung andeuten.
In enger Kooperation mit dem Institut für Flugführung der TU Braunschweig fanden insgesamt zwei Hubschrauberflüge ausgehend von der polnischen Küste bei Kohlberg statt. Das IFF betreibt die hubschraubergetragene Schleppsonde HELiPOD mit umfangreicher Technik für atmosphärische Messungen, die bereits im Juni 2022 bei Messungen der Methan-Emissionen aus Steinkohle-Schächten in Polen sowie bei der internationalen Arktis-Driftkampagne MOSAiC im Einsatz war. Der HELiPOD wird als Schlingenlast an einem rund 25 Meter langen Seil unter dem Hubschrauber geflogen. Für die aktuellen Flüge war dieser zusätzlich mit einem Methaninstrument des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre bestückt.
Bei den Flügen konnten Messungen auf der windzugewandten und der windabgewandten Seite der bekannten Stellen der Lecks durchgeführt werden. „Dabei konnten wir mit den Instrumenten im HELiPOD auf niedrigen Höhen bis hinunter auf etwa fünfzig Meter über dem Meer Daten sammeln“, erklärt die Leiterin der Messkampagne, Anke Roiger vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre. „Die detaillierten Messungen der Methankonzentration im Umfeld der Lecks werden uns helfen die Ausbreitung der Methanemissionen aus den verschiedenen Lecks zu charakterisieren und somit die Schätzungen der Emissionsraten zu prüfen. Diese direkten flugbasierten Messungen in der Luft schließen die Beobachtungslücke zwischen den Boden- und Satellitenbeobachtungen der letzten Tage.“Während der Flüge zeigte der HELiPOD-Missionsmonitor im Cockpit die Messungen online an, sodass der Hubschrauber erfolgreich durch die optisch unsichtbaren Methanwolken fliegen konnte.
Satellitenaufnahmen aus dem Weltall, aufgenommen vom europäischen Radarsatelliten Sentinel-1A, konnten am 29. September und 1. Oktober bereits das fortwährende Austreten von Gas bestätigen. Die hohe austretende Gasmenge erzeugte an der Wasseroberfläche starke Strudel, die das Radarsignal stärker zurückstreuen als das umgebende ruhigere Wasser und dadurch in den Radaraufnahmen gut sichtbar sind. Hinzugezogen zu den Auswertungen wurden auch Aufnahmen des optischen Satelliten Sentinel-2 vom 30. September.
Mit den Lecks in den Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 rückt das kontinuierliche Monitoring kritischer maritimer Infrastrukturen verstärkt in den Fokus. Hier könnten vor allem wetterunabhängig beobachtende Radarsatelliten zukünftig eine wichtige Rolle spielen. „Die notwendigen Satelliten wie Sentinel-1A, aber auch die deutschen Satelliten TerraSAR-X und TanDEM-X sind bereits im Orbit. Hinzu kommt bereits 2023 mit Sentinel-1C der nächste Copernicus Radar-Satellit“, erklärt Stefan Dech, Direktor am Earth Observation Center des DLR. „Durch Anpassung der Beobachtungsroutinen könnten die Satelliten zukünftig verstärkt auch zur Beobachtung maritimer Infrastrukturen genutzt werden, um beispielsweise ungewöhnliche Schiffsbewegungen und andere Auffälligkeiten nahe solcher Einrichtungen auf dem Meer frühzeitig zu erfassen. Hier haben wir dank der großen Fortschritte bei der automatischen Datenauswertung und Mustererkennung mittels künstlicher Intelligenz ein großes Potenzial für zukünftige Monitoring-Systeme und Beobachtungsalgorithmen.“
DLR / RK
Weitere Infos
- Institut für Physik der Atmosphäre, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Weißling
- Institut für Flugführung, Technische Universität Braunschweig