17.05.2024 • PlasmaBeschleunigerVakuum

Meilenstein in der Plasmabeschleunigung

HZDR-Team erzielt neuen Energierekord für Protonenbeschleuniger der nächsten Generation.

Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) hat einen signi­fikanten Fort­schritt bei der Laser­plasma-Beschle­unigung erzielt. Mit Hilfe einer inno­vativen Methode konnte ein Forschungs­team den bisherigen Rekord für die Beschleu­nigung von Protonen deutlich übertreffen und erstmals Energien erzielen, die bis dato nur mit viel größeren Anlagen er­reich­bar schienen. Dadurch rücken viel­ver­sprechende Anwendungen in der Medizin und der Material­wissenschaft näher.

Abb.: Einem Forschungsteam des HZDR ist es gelungen, mit einer innovativen...
Abb.: Einem Forschungsteam des HZDR ist es gelungen, mit einer innovativen Methode die Beschleunigung von Protonen per Laserpuls deutlich zu steigern.
Quelle: HZDR / Blaurock

Die Laser­plasma-Beschleu­nigung bietet interessante Perspektiven: Verglichen mit herkömmlichen Beschleunigern verspricht sie kompaktere und energieeffizientere Anlagen. Denn statt Teilchen durch starke Radiowellen auf Touren zu bringen, nutzt die neue Technologie Laser zur Beschleunigung. Das Prinzip: Extrem kurze, aber hoch­intensive Laser­pulse feuern auf hauch­dünne Folien. Das Licht heizt das Material derart auf, dass unzählige Elektronen aus ihm heraus­treten, wogegen die Atomrümpfe an Ort und Stelle bleiben. Da die Elektronen negativ und die Atomrümpfe positiv geladen sind, bildet sich zwischen ihnen kurzzeitig ein starkes elektrisches Feld aus. Dieses Feld kann einen Protonen-Pulk innerhalb einiger Mikrometer weg­kata­pultieren und auf Energien bringen, für die es mit der konven­tionellen Beschleuniger­technik deutlich längere Anlagen braucht.

Allerdings steckt die Technologie noch im Forschungsstadium: Bisher waren lediglich Protonen­energien bis zu 100 MeV erreichbar, was zudem den Einsatz sehr großer Lasersysteme erforderte, von denen es nur wenige auf der Welt gibt. Um künftig auch mit kleineren Laser­anlagen und kürzeren Pulsen ähnlich hohe Beschleunigungs­energien zu schaffen, verfolgte das Team um die HZDR-Physiker Karl Zeil und Tim Ziegler einen neuen Ansatz. Dabei nutzen sie eine Eigen­schaft der Laser­blitze, die eigentlich als ein Manko gilt: „Die Energie eines Pulses setzt nicht sofort ein, wie es idealerweise der Fall wäre“, beschreibt Ziegler. „Stattdessen eilt ihm ein kleiner Teil der Laser­energie bereits voraus, gewisser­maßen als Vorhut.“

Dieses voraus­eilende Licht spielt beim neuen Konzept eine entschei­dende Rolle. Trifft es auf eine speziell angefertigte, in einer Vakuum­kammer befindliche Plastik­folie, kann es diese auf bestimmte Weise verändern: „Durch den Einfluss des Lichts expandiert die Folie und wird dabei immer heißer und dünner“, erläutert Ziegler. „Die Folie zerfließt während des Heiz­prozesses regelrecht.“ Für den Hauptpuls, der unmittelbar danach eintrifft, hat das eine positive Folge: Die Folie, die ihn ansonsten zum Großteil reflektieren würde, wird plötzlich für das Licht durch­sichtig. Dadurch kann der Haupt­puls deutlich tiefer ins Material eindringen als bei früheren Versuchen.

„Als Folge wird im Material eine komplexe Kaskade von Beschleunigungs­mechanismen ausgelöst“, beschreibt Ziegler. „Dadurch werden die in der Folie enthaltenen Protonen deutlich stärker beschleunigt als es zuvor mit unserem DRACO-Laser möglich war.“ In Zahlen: Schaffte die Anlage bislang Protonen­energien von etwa 80 MeV, sind nun 150 MeV machbar – fast eine Verdopplung. Um diesen Rekord zu schaffen, musste sich das Team in mehreren Messreihen an die perfekten Wechsel­wirkungs-Parameter herantasten, etwa was die optimale Dicke der verwendeten Folien betrifft. Bei der Analyse der Messdaten stieß die Arbeits­gruppe auf eine weitere erfreuliche Eigenschaft des beschleunigten Teilchen­strahls: Die hoch­energe­tischen Protonen weisen eine enge Energieverteilung auf, sind also bildlich gesprochen alle etwa gleich schnell – ein günstiges Feature für spätere Anwendungen. Für die nämlich sind hohe und gleichmäßige Protonen­energien überaus vorteilhaft.

Eine dieser Anwendungen ist die Unter­suchung neuer radio­bio­logischer Konzepte zur präzisen und schonenden Tumor­behandlung. Bei dieser Technik werden sehr hohe Strahlungs­dosen in sehr kurzer Zeit appliziert. Bislang kommen für diese Studien vorwiegend große konven­tionelle Therapie­beschleuniger zum Einsatz, die es in Deutschland nur an wenigen Zentren gibt und an denen die Nutzung für Patient*innen natürlicherweise Vorrang hat. Durch das neue HZDR-Verfahren rückt nun die Möglichkeit näher, kompakte Laser­anlagen zu nutzen, um mehr Forschungsgruppen Zugang zu diesen Unter­suchungen zu eröffnen und zugleich bisher unerreichbare Bestrahlungs­szenarien zu ermöglichen, die herkömmliche Anlagen nicht liefern können. „Die heutige Anlagen brauchen zudem viel Strom“, sagt Ziegler. „Auf Basis der Laser­plasma-Beschleunigung könnten sie deutlich sparsamer sein.“

Ferner könnte das Verfahren zur effizienten Erzeugung von Neutronen ein­gesetzt werden. Durch die Laser­blitze lassen sich kurze und intensive Neutronen­pulse herstellen, die interessant für den Einsatz in Wissen­schaft und Technik sowie für Material­untersuchungen sind. Auch hier versprechen die Plasma­beschleuniger, das bisherige Einsatz­feld deutlich zu erweitern. Doch zuvor wollen die Fachleute die neue Technik weiter verfeinern und besser verstehen. Unter anderem wollen sie es in Zusammen­arbeit mit anderen Laboren schaffen, den Prozess gezielter zu steuern und die Verfügbarkeit der Technik zu steigern. Und auch weitere Rekorde stehen auf der Agenda: Energien von mehr als 200 MeV scheinen durchaus möglich.

HZDR / LK

 


 

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