Magnetische Kühlung im Industriemaßstab
Magnetokalorik soll Beitrag zur effizienteren Wasserstoff-Verflüssigung leisten.
Gemessen am heutigen Verbrauch verfünffacht sich Schätzungen zufolge der weltweite Wasserstoff-Bedarf bis 2050 auf 550 Millionen Tonnen. Bei der Verflüssigung geht jedoch ein Drittel des Energieinhalts von Wasserstoff verloren. Im Rahmen des mit etwa fünf Millionen Euro geförderten Horizont Europa-Projekts HyLICAL will jetzt ein Team unter Mitwirkung des HZDR, der TU Darmstadt und Magnetotherm Technologien zur Speicherung von Flüssigwasserstoff deutlich verbessern. Dafür setzt das Team auf magnetokalorische Materialien: Stoffe, die ihre Temperatur ändern, wenn sie in ein Magnetfeld gebracht werden.
„In dem Gemeinschaftsprojekt wollen wir mit Partnern aus neun europäischen Ländern den Energieverbrauch sowie die Investitions- und Betriebskosten bei der Wasserstoff-Verflüssigung entscheidend senken“, sagt Tino Gottschall vom Hochfeld-Magnetlabor Dresden am HZDR. Dafür wollen die Partner ihr Fachwissen auf den Gebieten Materialforschung, Anlagenentwicklung sowie Simulation bündeln und in eine neue Technologie überführen.
Flüssiger Wasserstoff hat eine siebzig Prozent höhere volumetrische Energiedichte als der an Wasserstofftankstellen komprimierte gasförmige Wasserstoff. Das macht den Transport und die Speicherung großer Mengen Flüssigwasserstoffs so attraktiv. Wasserstoff könnte künftig eine größere Rolle im Verkehr spielen – bis hin zum Energieträger in der Schwerlastmobilität. Die Verflüssigung von Wasserstoff, wie sie im Vorhaben geplant ist, soll die technologische Machbarkeit zur Handhabung großer Mengen Wasserstoff erkunden.
„Wir wollen eine alternative Technologie zur Verflüssigung etablieren, die auf dem Prinzip der magnetischen Kühlung beruht. Wenn wir das mit dem herkömmlichen Kühlprozess bildhaft vergleichen wollen, würde ein Magnet die Rolle des Kompressors übernehmen und das magnetokalorische Material die des Kühlmittels. Ihr Zusammenspiel ermöglicht es uns, die für die Wasserstoff-Verflüssigung nötigen tiefen Temperaturen zu erreichen“, umreißt Oliver Gutfleisch vom Institut für Materialwissenschaft an der TU Darmstadt kurz die dem Projekt zugrundeliegende Idee.
Aus langjährigen gemeinsamen Vorarbeiten heraus wurde 2019 die Firma Magnetotherm aus der TU Darmstadt ausgegründet. Das große Ziel des Start-ups: die Markteinführung der magnetischen Kühlung. Mit einem Getränkekühler für industrielle Anwendungen gibt es bereits ein kommerzielles Produkt. HyLICAL ist nun der nächste Schritt in Richtung Tieftemperatur-Anwendung. Die Forscher wollen einen Prototyp bauen, mit dessen Hilfe die magnetische Kühlung Einzug in die industrielle Wasserstoff-Verflüssigung halten soll. Das Team kann dabei auf die langjährige Expertise am sowohl in der Entwicklung und Herstellung von Magnetspulen als auch in der Kryotechnik zurückgreifen.
„Wir haben bereits viele magnetische Materialien in hohen Feldern untersucht – diese Materialbibliothek ist ein Erfahrungsschatz, auf dem wir aufbauen können“, sagt Gottschall. An der TU Darmstadt entwickeln Wissenschaftler bereits magnetokalorische Materialien, die im angestrebten Temperaturbereich arbeiten. „Zur Wasserstoff-Verflüssigung benötigen wir -253 Grad Celsius. Diesen sehr tiefen Temperaturen nähern wir uns durch Vorkühlung mit flüssigem Stickstoff, mit dem wir bis auf -196 Grad kommen. Die Differenz muss dann unser magnetokalorisches Material schaffen“, erklärt Gutfleisch.
Mit der Pilotanlage möchte das Team demonstrieren, dass die Wasserstoff-Verflüssigung mit dem magnetokalorischen Prinzip im Industriemaßstab umsetzbar ist, das heißt konkret: für eine Produktion von mehr als fünf Tonnen am Tag. Zudem wollen die Forscher den Materialeinsatz an kritischen Rohstoffen zurückfahren. Das Team erwartet einen bis zu fünfzig Prozent geringeren Energieverbrauch bei der Verflüssigung, verglichen mit der momentan etablierten konventionellen Technologie.
All das soll Flüssigwasserstoff deutlich kostengünstiger machen. Darüber hinaus gestattet das Konzept die Umsetzung von Verflüssigungsanlagen, die in kleinem Maßstab und dezentral arbeiten können. Dieser Betriebsmodus macht die Technologie deshalb auch interessant für den Ausbau erneuerbarer Energiequellen. Ebenfalls oftmals dezentral gewonnen, ließe sich deren Energie so vorteilhaft über den Umweg Flüssigwasserstoff zwischenspeichern.
HZDR / RK
Weitere Infos
- HyLICAL – Development and validation of a new magnetocaloric high-performance hydrogen liquefier prototype, Europäische Union
- Hochfeld-Magnetlabor Dresden, Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf
- Institut für Materialwissenschaft, Technische Universität Darmstadt