Licht mit negativer Temperatur
Lichtpulse können sich in Glasfasern wie ein exotisches Gas verhalten.
Die Menge von Daten, die in Form optischer Pulse durch Glasfasern geleitet wird, steigt stetig an. Mit der steigenden Dichte der optischen Signale wächst deren Wechselwirkung, was zu Datenverlust führen kann. Physiker der Uni Jena und des College of Optics and Photonics in den USA erforschen gemeinsam, wie sich optische Pulse möglichst exakt kontrollieren lassen, um den Effekt solcher Wechselwirkungen zu minimieren. Dazu haben sie ein Ensemble optischer Pulse während seiner Ausbreitung durch eine Glasfaser untersucht und festgestellt, dass dieses festen Regeln folgt – vor allem denen der Thermodynamik.
Das Ergebnis hat die Forscher überrascht. „Wir haben festgestellt, dass sich die Lichtpulse schon nach etwa hundert Kilometern organisieren und sich dann wie Moleküle in einem gewöhnlichen Gas, wie zum Beispiel Luft, verhalten“, berichtet Ulf Peschel, der Leiter der Gruppe in Jena. In einem Gas bewegen sich die Teilchen unterschiedlich schnell hin und her. Trotzdem besitzen sie eine mittlere Geschwindigkeit, die durch ihre Temperatur bestimmt wird. Lichtpulse rasen zwar mit einer mittleren Geschwindigkeit von etwa 200.000 Kilometern pro Sekunde vorwärts durch die Glasfaser, sind aber trotzdem nicht alle gleich schnell. „Die statistische Verteilung ihrer Geschwindigkeiten entspricht dabei genau der eines normalen Gases mit einer bestimmten Temperatur“, so Peschel.
Wie die Forscher jetzt erstmalig nachgewiesen haben, kann man dieses Photonengas zum Beispiel durch adiabatische Expansion abkühlen. Dabei werden wie in einem echten Gas die Geschwindigkeitsunterschiede der Teilchen kleiner und die Ordnung in der Signalfolge nimmt automatisch zu. Wird der absolute Temperaturnullpunkt von 0 Kelvin erreicht, bewegen sich alle Pulse mit exakt gleicher Geschwindigkeit.
Auch der umgekehrte Prozess ist möglich. „Bei einer Erhitzung des optischen Gases nehmen die Geschwindigkeitsunterschiede zu“, erläutert Peschel. Kommen alle Pulsgeschwindigkeiten gleich oft vor, ist die Unordnung maximal und die Temperatur unendlich – ein Zustand, der in realen Gasen nicht erreicht werden kann, da er unendlich viel Energie erfordern würde. Im Gegensatz dazu lässt sich durch eine periodische Modulation des Brechungsindexes der Bereich möglicher Ausbreitungsgeschwindigkeiten optischer Pulse in der Glasfaser beschränken. So können alle verfügbaren Geschwindigkeiten gleich besetzt und Photonengase unendlicher Temperatur präpariert werden. Wird noch mehr Energie zugeführt, werden Zustände hoher Geschwindigkeit präferiert – das Photonengas wird heißer als unendlich heiß.
„Für diesen bislang für Licht nur theoretisch beschriebenen Zustand wird mathematisch eine Temperatur unterhalb des absoluten Nullpunktes angenommen“, sagt Peschel. Er und seine Kollegen konnten ein solches optisches Gas mit negativer Temperatur erzeugen und zum ersten Mal demonstrieren, dass dieses konventionellen thermodynamischen Gesetzen folgt. „Unsere Resultate tragen dazu bei, das kollektive Verhalten großer Ensembles optischer Signale besser zu verstehen. Berücksichtigt man die Thermodynamik, kann man die optische Datenübertragung zuverlässiger und robuster machen, zum Beispiel, indem man Pulsverteilungen so strukturiert, dass sie thermodynamischen Verteilungen besser entsprechen.“
FSU Jena / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. L. Marques Muniz et al.: Observation of photon-photon thermodynamic processes under negative optical temperature conditions, Science 379, 1019 (2023; DOI: 10.1126/science.ade6523 - Institut für Festkörpertheorie und -optik (U. Peschel), Friedrich-Schiller-Universität Jena
- College of Optics and Photonics, University of Central Florida, Orlando, USA
Weitere Beiträge
- Nichtlineare Optik in kleinsten Dimensionen (Pro-physik.de Nachrichten, 6. Juni 2019)
- U. Peschel, Kugeln aus Licht, Physik Journal, Februar 2011, S. 18 PDF
- H.-G. Unger, Nobelpreis 2009: Charles Kuen Kao – Vater der Glasfaserkommunikation, Physik Journal, Dezember 2009, S. 24 PDF