05.07.2023 • Astronomie

Leckstrahlung von Starlink-Satelliten nachgewiesen

LOFAR-Teleskop erfasst erstmalig niederfrequente Radiowellen von Satelliten einer großen Konstellation.

Wissenschaftler des MPI für Radio­astronomie in Bonn und anderer führender Forschungs­institute haben mit dem Radioteleskop LOFAR 68 Satelliten der Starlink-Konstellation von SpaceX beobachtet. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass sie elektro­magnetische Leck­strahlung entdeckt haben, die von der Bord­elektronik erzeugt wird. Sie könnte astronomische Forschung behindern und unterscheidet sich von den normalen Kommuni­kations­signalen, die bisher im Fokus der Radio­astronomen lagen. Die Wissen­schaftler fordern daher Satelliten­betreiber und Regulierungs­behörden dazu auf, die Auswirkungen auf die Radio­astronomie sowohl bei der Entwicklung von Raum­fahr­zeugen als auch bei Regulierungs­verfahren zu berück­sichtigen.

Abb.: Künst­le­rische Dar­stel­lung einer großen...
Abb.: Künst­le­rische Dar­stel­lung einer großen Satel­liten­kon­stel­la­tion in einer erd­nahen Um­lauf­bahn, die über dem LOFAR-Tele­skop kreist. (Bild: D. Futse­laar, artsource.nl)

Astronomen müssen für ihre Arbeit sehr schwache Signale aus dem All empfangen können. Von Menschen verursachte Radiosignale können astro­physi­kalische Quellen um ein Vielfaches überstrahlen. Daher werden die meisten Radioteleskope an Standorten gebaut, die besonders vor terres­trischen Störungen geschützt sind. Einige befinden sich sogar in radio­ruhigen Zonen, die von einigen Staaten eingerichtet wurden.

Der technologische Fortschritt ermöglichte in den letzten Jahren erstmalig, riesige Satelliten­konstel­lationen ins All zu befördern, die für den Breitband-Internet­zugang oder die Erdbeob­achtung genutzt werden. Sie stellen eine völlig neue Heraus­forderung für die Astronomie dar. Da sich nun Tausende von Satelliten auf niedrigen Erdumlauf­bahnen befinden, hat jedes Radioteleskop zu jeder Zeit viele Satelliten im Blick, die Signale ausstrahlen. Bisher ging man davon aus, dass es haupt­sächlich die Kommuni­kations­signale der Satelliten wären, die radio­astro­nomische Beobachtungen behindern können. Die jetzt erstmalig beobachtete Leckstrahlung, wahr­scheinlich verursacht vom elektro­nischen Equipment der Satelliten, hatte man bisher nicht auf dem Schirm und weitere Unter­suchungen dazu sind vonnöten.

„Die Studie ist der jüngste Versuch, die Auswirkungen von Satelliten­konstel­lationen auf die Radio­astronomie besser zu verstehen“, sagte Federico Di Vruno vom Square Kilometre Array Observatory in Groß­britannien. „In früheren Workshops zum Schutz des Nachthimmels und der Astronomie vor Auswirkungen von Satelliten wurden Theorien über diese Strahlung aufgestellt. Unsere Beobach­tungen bestätigen, dass sie messbar ist.“ Di Vruno ist Co-Direktor des Centre for the Protection of the Dark and Quiet Sky from Satellite Constellation Interference der Inter­nationalen Astro­nomischen Union.

Das Team um Di Vruno konzentrierte sich zunächst auf die Starlink-Satelliten, da SpaceX zum Zeitpunkt der Beobach­tungen die größte Anzahl von Satelliten – über 2000 – im Orbit hatte. Die Forscher stellen jedoch klar, dass SpaceX nicht der einzige Betreiber von großen Satelliten­konstel­lationen ist. Sie gehen davon aus, dass andere Satelliten ähnliche unbeab­sichtigte Emissionen ausstrahlen. Es sind bereits weitere Messungen geplant, die sich auf andere Satelliten­konstel­lationen konzentrieren werden.

„Mit LOFAR konnten wir von 47 der 68 beobachteten Satelliten Strahlung zwischen 110 und 188 Megahertz nachweisen. Dieser Frequenz­bereich umfasst ein geschütztes Band zwischen 150,05 und 153 Megahertz, das von der Inter­nationalen Fernmelde­union speziell für die Radio­astronomie zugewiesen wurde“, sagt Cees Bassa von ASTRON, dem nieder­ländischen Institut für Radio­astronomie. SpaceX verstößt jedoch nicht gegen Vorschriften oder Regulierungen, da diese Art von Strahlung für Satelliten nicht durch inter­nationale Regelungen abgedeckt ist. Im Gegensatz dazu gelten für terrestrische Geräte Vorschriften, um sicher­zu­stellen, dass ein Gerät nicht ein anderes in der Nähe stört.

Die Wissenschaftler führten auch umfang­reiche Simula­tionen dieses Effekts für verschiedene Satelliten­konstel­lationen durch. „Unsere Simula­tionen zeigen unter anderem, dass dieser Effekt umso wichtiger wird, je größer die Konstel­lation ist, da sich die Strahlung aller Satelliten summiert“, sagt Benjamin Winkel vom MPI für Radio­astronomie. „Das bereitet uns natürlich Sorgen, insbesondere wenn man an die Vielzahl von geplanten Satelliten denkt. Und es fehlt an spezifischen Regeln, die die Radio­astronomie vor unbeab­sichtigter Strahlung der Satelliten schützen.“

Die Forscher stehen in engem Kontakt mit SpaceX. Das Unternehmen möchte mögliche negative Auswirkungen auf die Astronomie auf jeden Fall verhindern. SpaceX hat bereits Änderungen an der kommenden Satelliten­generation vorgenommen und hofft, dass damit eine Verbesserung der Situation erzielt wird.

„Wir glauben, dass das recht­zeitige Erkennen dieser Situation den Astronomen und den Betreibern großer Satelliten­konstel­lationen die Chance gibt, gemeinsam an technischen Maßnahmen zu arbeiten“, betont Gyula Józsa vom MPI für Radio­astronomie. „Parallel dazu sind aber dringend Gespräche mit Regulierungs­behörden zu führen, um geeignete Regulierungen zu schaffen.“

„Die vorliegende Studie zeigt, dass neue techno­logische Entwicklungen unvorher­gesehene Neben­wirkungen auf die Astronomie haben können“, schließt Michael Kramer, Direktor am MPI für Radio­astronomie und Präsident der Astro­no­mischen Gesellschaft in Deutschland. Er begrüßt ausdrücklich den kooperativen Ansatz von SpaceX. „SpaceX geht mit gutem Beispiel voran. Nun hoffen wir auf eine breite Unter­stützung durch die gesamte Satelliten­industrie und die Regulierungs­behörden.“

MPIfR / RK

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