10.10.2022 • LaserLasertechnik

Laserbasierte Silizium-Kristallisation für die monolithische Integration bei MEMS-Sensoren

Im Gegensatz zu sonst üblichen Verfahren entfallen Drähte und Lötstellen – was die Bauteile perspektivisch kleiner und leistungsfähiger macht.

Zur Messung von Bewegungen sind MEMS-Inertial­sensoren zu Milliarden in Fahrzeugen und Consumer-Produkten eingebaut. Damit die MEMS-Sensor­einheiten diese Aufgaben zuverlässig und prozess­sicher bewältigen können, werden sie mit einem elektro­nischen, anwendungs­spezifischen, integrierten Schaltkreis, kurz ASIC, kombiniert, der auf einer Silizium-Träger­einheit, dem Wafer, sitzt. Weil die Umgebungs­temperatur in der Nähe des integrierten Schaltkreises mit seinen temperatur­empfind­lichen CMOS-Transistoren jedoch 450 Grad Celsius nicht überschreiten darf, werden MEMS-Sensoren aus kristallinem Silizium aufgrund der konventionell hohen Herstellungs­temperaturen zunächst separat hergestellt. Anschließend folgt das Kontaktieren mit dem Schaltkreis via Draht- und Lötver­bindungen oder Wafer­bond­verfahren.

Abb.: Schonende Hoch­tempe­ratur-Kristal­li­sation: Das Fraun­hofer-ILT...
Abb.: Schonende Hoch­tempe­ratur-Kristal­li­sation: Das Fraun­hofer-ILT hat mit dem Fraun­hofer-ISIT und dem Fraun­hofer-IST ein selektives, laser­basiertes Kristal­lisa­tions­ver­fahren für die Her­stel­lung von MEMS-Sensor­ein­heiten direkt auf aktiven Schalt­kreisen ent­wickelt. (Bild: Fh.-ILT)

„Die konventionelle Verbindungs­technik benötigt jedoch viel Platz und verhindert eine weitere Miniatu­ri­sierung der MEMS“, erklärt Florian Fuchs vom Fraunhofer-Institut für Laser­technik. MEMS aus kristallinem Silizium lassen sich daher bisher nicht direkt auf dem ASIC aufbauen. Wegen der Temperatur­inkompa­tibi­litäten im Herstel­lungs­prozess sind somit der weiteren Miniatu­ri­sierung und Leistungs­steigerung der Sensoren Grenzen gesetzt.

Als Alternative zu konventio­nellen Füge­techniken setzt das Fraunhofer-ILT auf ein laser­basiertes Verfahren, das es ermöglicht, MEMS-Sensoren aus kristal­linem Silizium direkt – also monolithisch – auf den temperatur­empfindlichen Schaltkreisen aufzubauen. Dabei liegen die Projekt­schwer­punkte in der Abscheidung von Si-Schichten durch das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächen­technik und Fraunhofer-Institut für Silizium­techno­logie, der selektiven Laser­kristal­li­sation durch das Fraunhofer-ILT und der Auslegung sowie der mikro­elektro­nischen Weiter­ver­arbeitung der Schichten zu Sensoren durch das Fraunhofer-ISIT.

Die Forscher machen sich dabei die Tatsache zunutze, dass sich amorphe Silizium­schichten bereits bei niedrigen Temperaturen unterhalb von 450 Grad Celsius auf dem schalt­kreis­tragenden Wafer bei hohen Abscheide­raten herstellen lassen. Der Laser kristal­lisiert nicht nur diese Silizium­schicht, sondern aktiviert auch die darin enthaltenen Dotier­stoffe und sorgt damit für eine geeignete elektrische Leit­fähig­keit. Anschließend folgt das Freistellen der Sensor­einheiten mit Hilfe klassischer mikro­elektro­nischer Fertigungs­verfahren.

Die Hochtemperatur-Kristal­li­sation mittels Laser­strahlung unterhalb des Schmelz­punktes von Silizium geschieht orts­selektiv und sehr schnell – im unteren Milli­sekunden­bereich –, sodass sie im Zusammenspiel mit gezieltem Temperatur­manage­ment die empfind­liche Elektronik auf dem darunter liegenden Substrat nicht beschädigt und mechanische Spannungen im Schicht­material minimiert. Die Kristal­li­sation läuft mit einem fokus­sierten Laserstrahl mit einem Durchmesser von einigen zehn Mikro­metern ab, der spiegel­gelenkt die gesamte Oberfläche schritt­weise abfährt. Die Wärme­abfuhr geschieht bei diesem orts­selek­tiven Prozess effektiv in drei Raum­richtungen. Das unter­scheidet das Verfahren von alternativen photo­nischen Verfahren wie der Blitz­belichtung, bei der die Wärme­abfuhr aufgrund der groß­flächigen Bearbeitung nur in eine Richtung statt­finden kann.

„Aufgrund der sehr schnellen Energie­ein­bringung in nur ein kleines Volumen­element erzielen wir mit der Laser­bear­beitung eine Festphasen­kristal­lisation des Siliziums bei Temperaturen, die oberhalb der Zerstör­schwelle des darunter­liegenden Schalt­kreises liegen. Aufgrund der kurzen örtlichen Bearbei­tungs­zeit wird dieser dennoch nicht geschädigt“, erklärt Christian Vedder vom Fraunhofer-ILT. Das neu entwickelte Laser­verfahren verringert die elektrischen Widerstände der Silizium-Schichten um mehr als vier Größen­ordnungen. Aus diesen Schichten konnten MEMS-Sensoren mit typischen Finger­strukturen für einen kapazitiv arbeitenden Beschleu­nigungs­sensor herge­stellt werden.

„Die Fähigkeit, kristalline Siliziums­chichten unter CMOS-kompatiblen Bedingungen auf einem ASIC-Wafer herzu­stellen, eröffnet neue Möglichkeiten für die MEMS-IC-Integration, da Eingriffe in die CMOS-Herstel­lungs­prozesse entfallen“, sagt Fuchs. Die dadurch weg­fal­lenden Prozess­ver­schränkungen erlauben eine unabhängige Entwicklung von MEMS und IC und stellen damit eine deutliche Reduzierung der Entwick­lungs­zeiten und -kosten in Aussicht. Neben einer höheren Integra­tions­dichte lässt die Einsparung von Draht­ver­bindungen und Bondpads zudem geringere parasitäre Störgrößen sowie eine verbesserte Abschirmung gegen elektro­magnetische Störfelder erwarten, was sich positiv auf die Signal­qualität und das Drift­ver­halten der Sensoren auswirkt.

Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich künftig in mehrere Richtungen vertiefen und weiter­führen. Interes­sant wäre beispiels­weise die Anpassung des Verfahrens an die spezifischen Anforde­rungen unter­schied­licher Sensor­typen mit anderer Schicht­dicke oder anderen Dotier­stoffen. „Wir suchen nun Anwender aus der Industrie, mit denen wir das im Team entwickelte Verfahren gewinn­bringend für ihre Produkte einsetzen können“, so Fuchs.

Der Ausblick auf Leistungs­steigerung bei gleich­zeitiger Miniatu­ri­sierung macht die MEMS-Technologie auch für weitere Einsatz­felder interessant, deren Anforde­rungen heutige MEMS-Systeme noch nicht erfüllen können. Denkbar wäre der Einsatz im Bereich des autonomen Fahrens, bei dem sehr genau arbeitende Beschleunigungs­sensoren die Empfangs­lücken des GPS-Signals in Tunneln oder Parkhäusern überbrücken könnten. Interessantes Potenzial bietet das Verfahren auch in der Medizin­technik, um etwa Temperatur­sensoren in Kopfhörer zu inte­grieren und die gewonnenen Daten zur Überwachung von Patienten oder zur Pandemie­bekämpfung zu nutzen. Außerdem könnten miniatu­ri­sierte, hoch­präzise Beschleu­nigungs-MEMS-Sensoren die genaue Lokali­sation von Einsatz­kräften der Feuerwehr in brennenden Gebäuden ermöglichen und damit die Sicherheit von Einsatz­kräften erhöhen.

Fh.-ILS / RK

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