Kreislauf für Rotorblatt-Materialien
Projekt zur Wiederaufbereitung von faserverstärkten Kunststoffen gestartet.
Gut für die Umwelt, aber schwer zu entsorgen: Windenergieanlagen halten im Schnitt zwanzig Jahre, dann werden sie ersetzt. Das Recycling alter Anlagen gestaltet sich jedoch schwierig. Insbesondere die Rotorblätter stellen aufgrund ihrer Materialzusammensetzung aus faserverstärkten Kunststoffen ein Problem dar. Auch andere kunststoffbasierte Abfälle, wie etwa Kofferraumabdeckungen aus Autos sowie kleinere Teile, beispielsweise aus Gesundheits- und Pharmaanwendungen sowie elektrischen und elektronischen Anwendungen, können zurzeit nicht oder nur schlecht wiederverwertet werden. An diesem Punkt setzt ein neues Forschungsvorhaben am Institut für Kunststoff- und Kreislauftechnik der Leibniz Universität Hannover LUH in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen KraussMaffei Extrusion an, das im Juli 2023 gestartet ist.
Unter Leitung von Hans-Josef Endres wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein neues Verfahren entwickeln, um industrielle Abfälle aus technischen Kunststoffbauteilen, das bedeutet aus faserverstärkten Kunststoffen und kunststoffbasierten Materialverbünden wieder nutzbar zu machen. Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur finanziert das Projekt ReKon mit rund 550.000 Euro; die Förderdauer beträgt zwei Jahre. Die Idee hinter dem Projekt ist, dass recycelte Kunststoffe in der Industrie möglichst dort wieder angewendet werden sollen, wo sie herkommen. „Die Qualität eines Produkts steigt mit einer möglichst hohen Sortenreinheit und geringem Verschmutzungsgrad des Inputs. Die Vorbehandlungsschritte Sortierung, Trennung, Waschen und Reinigung spielen daher eine entscheidende Rolle“, sagt Endres.
Die Vorteile, wenn der Produzent des ursprünglichen Teils sich auch um das Recycling kümmert, liegen auf der Hand: Die genaue Zusammensetzung des Kunststoffes und der Bauteile sind bekannt, die Sortierung ist dadurch erheblich einfacher. Zudem sind die Wege kurz, lange Transporte mit hoher CO2-Bilanz werden vermieden. Am Ende werden die zukünftigen Bauteilgenerationen dadurch auch recyclinggerechter designt. Damit sinkt der Verbrauch an wertvollen Rohstoffen. Beim Recycling von Kunststoffen gibt es zurzeit mehrere Möglichkeiten: Immer häufiger kommen chemische, neuerdings auch lösungsmittelbasierte Verfahren zum Einsatz. Am IKK setzt das Team auf die etablierten, jedoch bei weitem nicht ausentwickelten mechanischen Recycling-Methoden.
Im Vergleich zeichnen sich diese mechanischen Recyclingverfahren durch einen deutlich geringeren Energie- und Ressourcenbedarf aus. Das Prinzip ist einfach und auch bei anderen Ausgangsstoffen wie etwa Textilien anwendbar: Der Kunststoffabfall wird zunächst zerkleinert. In einem Extruder wird anschließend das so gewonnene Material mittels hohem Druck und hoher Temperaturen aufgeschmolzen, gereinigt und schließlich zu einer Art Granulat verarbeitet. Dieses Rezyklat – feine Körnchen aus Kunststoff – bildet dann die Basis für neue Bauteile, die an anderer Stelle wiedereingesetzt werden können. Das neue Forschungsprojekt legt den Schwerpunkt auf Bauteile, bei denen unterschiedliche Kunststoffe und auch andere Materialien so verbunden sind, dass sie mit den aktuell industriell verfügbaren Recyclingtechnologien nicht mehr getrennt werden können.
Es geht dabei hauptsächlich um Faserverbundkunststoffe aus Rotorblättern, Materialverbünde aus der Pharmaindustrie, Elektroschrott sowie die Schredderleichtfraktion aus der Automobilindustrie, die trotz des hohen Kunststoffanteils derzeit als nicht recycelbar gilt und meist in die Verbrennung geht. Die Mengen an Kunststoffabfällen in der Industrie werden künftig noch weiter zunehmen. So enthält mittlerweile ein Neuwagen mehr als 300 Kilogramm Kunststoff, und die EU hat mit der ganz aktuell vorgelegten Altfahrzeugverordnung ehrgeizige Recyclingquoten für die zukünftigen Fahrzeuggenerationen formuliert. Auch bei den Windenergieanlagen steigt die Zahl der Anlagen, die in den nächsten Jahren wiederaufbereitet werden müssen. Eine Studie des Bundesumweltamtes von 2022 rechnet mit bis zu 430.000 Tonnen an glasfaserverstärktem Kunststoffen allein aus den Rotorblättern, die bis 2040 anfallen werden.
LUH / JOL