04.04.2025

Kosmische Teilchenkanonen unter der Lupe

Umfangreiche Beobachtung von Jets supermassereicher schwarzer Löcher stellen gängige Annahmen in Frage.

Ein internationales Forscherteam hat mithilfe von Multi-Wellenlängen-Beobachtungen aktiver galaktischer Kerne untersucht, wie schwarze Löcher relativistische Jets starten. Sechzehn Objekte wurden mit dem EHT während der ersten Messkampagne im Jahr 2017 beobachtet. Die extreme Auflösung des Teleskops ermöglichte es, die Jets näher als je zuvor an den zentralen supermassereichen schwarzen Löchern dieser Galaxien zu untersuchen. Das Team untersuchte die Beschleunigung und Magnetisierung der Jets durch den Vergleich von Ergebnissen, die bei verschiedenen Frequenzen und Winkelauflösungen gewonnen wurden. Die Arbeit wurde von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn und des IAA-CSIC in Granada geleitet.


Abb.: Künstlerische Darstellung des Zentrums einer aktiven Galaxie
Abb.: Künstlerische Darstellung des Zentrums einer aktiven Galaxie
Quelle: J. C. Algaba

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Das internationale Forschungsteam unter der Leitung von Jan Röder (MPIfR und IAA-CSIC) hat Beobachtungen mit dem Event-Horizon-Teleskop mit früheren Studien mit dem Very Long Baseline Array und dem Global Millimeter VLBI Array verglichen, die viel größere räumliche Skalen untersuchen. Aus diesem Vergleich konnten sie ableiten, wie sich die Jets von ihrem Ursprung in der Nähe des schwarzen Lochs bis zu einer Entfernung von vielen Lichtjahren in den interstellaren Raum entwickeln. Die Intensität der von einer bestimmten Himmelsregion ausgehenden Strahlung, gemessen als Helligkeitstemperatur, nimmt im Allgemeinen zu, wenn sich das Jet-Plasma, von dem die Strahlung emittiert wird, weiter vom schwarzen Loch entfernt.

„Unsere Ergebnisse stellen langjährige Annahmen über das Verhalten von Jets in Frage“, sagt Jan Röder. „Durch die Analyse einer Stichprobe von sechzehn aktiven galaktischen Kernen konnten wir den Einfluss individueller Besonderheiten reduzieren und ein breiteres Bild vom Verhalten dieser Jets gewinnen.“

Im bisher gebräuchlichsten Modell wird davon ausgegangen, dass Jets konisch sind und ein Plasma enthalten, das sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, während die magnetische Feldstärke und die Dichte des Jet-Plasmas mit zunehmender Entfernung von der zentralen Maschine abnehmen. Auf der Grundlage dieser Annahmen können Vorhersagen über die beobachtbaren Eigenschaften von Jets gemacht werden.

„Dieses Basismodell kann nicht alle Jets perfekt beschreiben – höchstwahrscheinlich nur einen kleinen Teil. Die Dynamik und die Substruktur von Jets sind kompliziert, und die Beobachtungsergebnisse können durch astrophysikalische Entartungen stark beeinträchtigt werden“, fährt Jan Röder fort. „Wir wissen zum Beispiel, dass viele Jets zu beschleunigen scheinen. Entweder beschleunigt das Plasma selbst, oder es kann ein Effekt der Geometrie sein: Wenn sich der Jet krümmt, kann er direkter auf uns gerichtet sein, was den Eindruck einer schnelleren Bewegung vermittelt.“

„Durch die Verwendung einer Stichprobe von sechzehn aktiven galaktischen Kernen konnten wir uns ein umfassenderes Bild vom Verhalten der Jets machen, als wenn wir nur einzelne Quellen untersucht hätten. Auf diese Weise sind die Ergebnisse weniger anfällig für die Beeinflussung durch ihre jeweiligen individuellen Eigenschaften“, sagt Maciek Wielgus vom IAA-CSIC, der Co-Leiter des Projekts. „Wir haben festgestellt, dass die Helligkeit der Jets typischerweise mit zunehmender Entfernung vom Schwarzen Loch zunimmt, was einen starken Hinweis auf eine Beschleunigung darstellt.

Eduardo Ros, vom MPIfR, der europäische Planer des Global Millimeter VLBI Array, betont die Bedeutung der Beobachtungen im mittleren Maßstab: „Das Global Millimeter VLBI Array, das bei einer Wellenlänge von 3,5 Millimeter arbeitet, liefert Schlüsselinformationen zwischen den höchsten Auflösungen, die das EHT erreicht, und dem allgemeineren Bild der Jets, das das Very Long Baseline Array liefert. Dies wurde im Fall von M87 deutlich, wie von RuSen Lu und Mitarbeitern in einer früheren Arbeit gezeigt werden konnte.“

Aktive galaktische Kerne, die hellen Zentralquellen einiger Galaxien, werden von supermassereichen schwarzen Löchern angetrieben. Aus einigen dieser Objekte treten mächtige Plasmastrahlen aus, die viele tausend Lichtjahre weit in den intergalaktischen Raum reichen. Um die komplizierte Physik hinter diesem Phänomen zu verstehen, sind Beobachtungen mit extremer Winkelauflösung erforderlich, die es den Astronomen ermöglichen, in die Nähe des Ursprungs für den Jet zu blicken.

Das Event-Horizon-Teleskop (EHT) ist eine Anordnung von Radioteleskopen, die über die ganze Welt verstreut sind. Zusammen bilden sie ein virtuelles Teleskop von der Größe der Erde, das die erforderliche Auflösung für die Untersuchung von schwarzen Löchern und ihren Jets bietet. Das EHT wird von einer internationalen Zusammenarbeit von Hunderten von Wissenschaftlern betrieben und lieferte die ersten Bilder von supermassereichen schwarzen Löchern in den Zentren der Milchstraße (Sagittarius A*) und der Galaxie M87. Neben diesen Hauptzielen beobachtete das EHT während seiner Kampagne 2017 auch eine Reihe weiterer aktiver galaktischer Kerne.

Um zu beurteilen, wie genau – oder ungenau – das Verständnis für die Entwicklung von Jets ist, verglichen die Forscher die EHT-Ergebnisse mit früheren Beobachtungen der gleichen Quellen. Diese wurden mit dem Very Long Baseline Array und dem Global Millimeter VLBI Array durchgeführt, mit denen viel größere räumliche Skalen untersucht werden können als mit dem EHT. Aus diesem Vergleich konnte die Entwicklung der Jets von der Nähe ihres Ursprungs bis hin zu vielen Lichtjahren Entfernung im interstellaren Raum abgeleitet werden. Die durch die Helligkeitstemperatur gemessene Strahlungsleistung pro Raumwinkel, die von einer bestimmten Quelle ausgeht, nimmt allmählich zu, wenn sich das strahlende Jet-Plasma immer weiter vom schwarzen Loch entfernt.

Es gibt zwar alternative Erklärungen für diese neuen Beobachtungen, wie etwa eine Abweichung von der konischen Geometrie, aber das grundlegende theoretische Modell kann die Eigenschaften von Jets in der Nähe ihres Ursprungs mit Sicherheit nicht vollständig reproduzieren. „Es sind weitere Studien erforderlich, um den Beschleunigungsmechanismus, den Energiefluss, und die Rolle von Magnetfeldern in den Jets aktiver galaktischer Kerne und ihre Geometrien vollständig zu verstehen. Das expandierende EHT-Netzwerk wird eine wichtige Rolle bei der zukünftigen Entdeckung dieser faszinierenden Objekte spielen“, sagt Jan Röder.

J. Anton Zensus, Direktor am MPIfR und Gründungsvorsitzender der EHT-Kollaboration, fasst zusammen: „Diese Ergebnisse beruhen auf den laufenden Arbeiten des EHT und werden durch die Studien des Global Millimeter VLBI Array bestätigt. Sie zeigen, wie wichtig globale Partnerschaften, Spitzentechnologien und beharrliche Forschung für den wissenschaftlichen Fortschritt sind. Mit neuen Teleskopen und der nächsten Generation von Netzwerken werden wir unser Verständnis für diese faszinierenden kosmischen Phänomene weiter vertiefen.“

MPIfR / DE


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