Kornkäfern mit Plasma an den Kragen gehen
Behandlung von Schüttgut sichert lange Haltbarkeit der Ernte.
Kornkäfer gehören zu den häufigsten Schädlingen im Nachernte-Bereich. Sie können im Extremfall für einen Totalausfall der Ernte sorgen. Sie fressen sich durch die Getreidehülle und legen im Korn ihre Eier ab. Laut dem Internet-Portal „Ökolandbau“ sorgt ein Kornkäfer-Weibchen allein in einem Jahr für 250.000 Nachkommen. Die gleiche Zahl an Getreidekörner geht verloren und entspricht einem Gewicht von sechs Kilogramm. In massenhaft befallenem Erntegut entstehen zudem sogenannte „Wärmenester“, die Luftfeuchtigkeit steigt und damit das Risiko, dass das Getreide von Pilzsporen befallen wird. Der wirtschaftliche Schaden, der durch Pilze und Schädlinge verursacht wurde, geht weltweit in die Millionen. Mithilfe von Plasma können Kornkäfer im Erntegut nun direkt auf einem extra konstruierten Förderband behandelt und unschädlich gemacht werden. Auch Pilzsporen können bei der Lagerhaltung von Getreide im Silo mittels plasmabehandelter Luft eliminiert werden. Beide Verfahren sichern Ernteerträge und sind eine Alternative zu einer chemischen Behandlung im Schüttgutbereich.
Schrittweise wird der Einsatz chemischer Pestizide zur Bekämpfung der Insekten wie in der gesamten Land- und Ernährungswirtschaft immer weiter beschränkt oder gar untersagt. Gleichzeitig nehmen extreme Witterungsverhältnisse mit Hitze, Dürre oder Überschwemmung zu. Das zieht einen vermehrten Schädlingsbefall nach sich. Das Bündnis Physics for Food, das mit der Hochschule Neubrandenburg, dem Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) in Greifswald und weiteren Wirtschaftspartnern der Region initiiert worden ist, forscht an umweltfreundlichen physikalischen Methoden, um eine alternative Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft zu finden.
Im Teilprojekt Physics for Food & Feed und ist nun nach gut zweijähriger gemeinsamer Planung und Forschung ein Förderband durch den Projektpartner automation & software Günther Tausch (autosoft) aus Neubrandenburg modifiziert worden. Sebastian Glaß, Projektleiter und Mitarbeiter im Zentrum für Ernährung und Lebenstechnologie gGmbH (ZELT), ist vom Prototyp und seinen Möglichkeiten begeistert.
Immerhin haben die Laborversuche mit kaltem Atmosphärendruck-Plasma gezeigt, dass der Kornkäfer zu 99 Prozent inaktiviert werden konnte. „In den nächsten Wochen und Monaten werden wir Experimente mithilfe des Förderbandes durchführen und prüfen, ob sich die Ergebnisse aus dem Labor bestätigen lassen“, stellt er in Aussicht. Immerhin handelt es sich weltweit um eines der größten Förderbänder mit einer Plasmaeinrichtung. In einzelnen Versuchen wird nun getestet, welche Durchsatzmenge an Körnern oder auch welche Fördergeschwindigkeit angebracht sind, um den größten Nutzen zu erzielen.
Alfred Bligenthal, Seniorberater beim Projektpartner Hafen Vierow GmbH und einer der Sprecher des Projektes Physics for Food, blickt dieser Entwicklung gespannt entgegen: „Die gesellschaftliche Relevanz ist von immenser Bedeutung. Es geht voran und für die Landwirte sowie Lagerhalter ist es wichtig zu wissen, dass sie die Technik in einigen Jahren einsetzen können und sie sich für eine großtechnische Anwendung eignet.“
Für die Forschung im Teilprojekt ist darüber hinaus ein gut drei Meter hohes Silo aufgestellt und ein ausgeklügeltes Plasma-Belüftungssystem verbaut worden. Eingelagertes Getreide soll mit plasmabehandelter Luft umströmt werden, sodass Pilze und Bakterien keine Chance haben. Pilzsporen konnten in Versuchen deutlich um 99,99 %, also 4 log-Stufen, reduziert werden.
Die Entwicklung des Plasma-Silos war genauso aufwendig wie die des Förderbandes und dauerte 1,5 Jahre. Das Besondere daran ist die Kombination eines gasdichten Schüttgut-Silos – wie es auch für Futtermittel genutzt wird – mit der innovativen Plasma-Technologie zur Schädlingsbekämpfung. Zu Forschungszwecken ist es mit der Möglichkeit ausgerüstet, die klimatischen Bedingungen und die Gaszusammensetzung im Innenraum zu erfassen und das gelagerte Schüttgut während der Lagerung zu behandeln und Proben zu entnehmen.
INP / LK