Island als Testumgebung für eine Mission zur Venus
In Vorbereitung auf die Mission Veritas in den 2030er Jahren fand in Island eine zweiwöchige Feldkampagne statt.
Veritas ist eine NASA-Mission, die den Planeten Venus umkreisen wird und dabei Daten aus Infrarotspektroskopie, Radarbildern, Topografie und Interferometrie sammeln soll. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ist dabei ein wichtiger Partner. Als Vorbereitung für die Mission, die für das nächste Jahrzehnt geplant ist, fand jetzt in Island eine Feldkampagne statt. Dort kam der hochentwickelte flugzeuggestützte F-SAR-Radarsensor des DLR zum Einsatz, um solche Arten von Lavaströmen zu untersuchen und zu charakterisieren, die auch auf der Venus zu erwarten sind. Gleichzeitig setzten die Wissenschaftler des DLR am Boden einen Prototypen des Venus Emissivity Mapper VEM ein, um die spektralen Eigenschaften im nahen Infrarot zu erfassen. Die Feldkampagne in Island ist eine gemeinsame Expedition des Jet Propulsion Laboratory der NASA, des DLR und eines internationalen Wissenschaftsteams. Veritas steht für „Venus Emissivity, Radio Science, InSAR, Topography, and Spectroscopy“.
Das vulkanische Island ist eine hervorragende Testumgebung für wissenschaftliche Experimente, die zur Vorbereitung zukünftiger Missionen zur Venus durchgeführt werden sollen. „Die Charakterisierung und Messung von Ausmaß und Art der vulkanischen und tektonischen Vorgänge auf der Venus sind der Schlüssel zum Verständnis der Evolution von festen Planetenoberflächen und Gesteinsplaneten im Allgemeinen”, sagt Sue Smrekar, Principal, Investigator des JPL für Veritas. Es war die Magellan-Mission der NASA in den 1990er Jahren, die einen ersten detaillierten Blick auf eine Venusoberfläche ermöglichte, die von Wolken aus Schwefelsäure eingehüllt ist.
Die globalen topographischen Karten auf der Basis von Radarmessungen der Magellan-Mission enthüllten damals einen Planeten, dessen Oberfläche während der letzten 500 Millionen Jahre durch Vulkantätigkeit fast vollständig neu gestaltet wurde. Nach Magellan standen noch viele Fragen im Raum. Und aus der Auswertung der Magellan-Daten ergaben sich weitere Fragen: Weshalb haben Erde und Venus, die in Bezug auf Größe und Masse fast gleich sind, in ihrer 4,5 Milliarden Jahre dauernden Entwicklung völlig unterschiedliche Wege eingeschlagen? Was hat sich während der vier Milliarden Jahre vor der letzten globalen Neugestaltung der Oberfläche zugetragen? Und gibt es letztlich noch aktive Vulkane? Diese Fragen sind die Motivation für neue Missionen zur weiteren Erforschung der Venus in den 2030er Jahren – und schon heute für missionsvorbereitenden Aktivitäten auf Island.
Daten des Radarsystems F-SAR des DLR werden verwendet, um Oberflächeneigenschaften der Lavaströme abzuschätzen und Algorithmen sowie Methoden zu testen, die für die Erfüllung der Mission Veritas erforderlich sind. „Unser Forschungsflugzeug vom Typ Dornier 228-212, das in einer Höhe von sechstausend Metern über dem Boden operiert, nimmt Radardaten auf mehreren Frequenzbändern gleichzeitig auf, ähnlich denen, die bei Veritas sowie EnVision auf der Venus zur Anwendung kommen werden und auch bei Magellan in den 1990ern verwendet wurden”, erklärt Ralf Horn vom Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme im DLR.
Darüber hinaus führten die Wissenschaftler auf Island Bodenmessungen durch und sammeln Gesteinsproben von verschiedenen Arten erstarrter Lava für Laboranalysen. Diese werden später dazu dienen, die Radardaten der Venusmissionen besser interpretieren zu können. Die Daten wurden in zwei Messgebieten erhoben, sowohl aus der Luft also auch auf dem Boden. Das erste Messgebiet liegt auf der Halbinsel Reykjanes, auf der sich auch der zuletzt aktive Vulkan Litli-Hrútur befindet. Das zweite Messgebiet liegt im Holuhraun-Gebiet in der Nähe des Vulkans Askja, wo eine Fläche, die größer ist als die Insel Sylt mit knapp hundert Quadratkilometern, vor kurzem von frischer Lava überflutet wurde. Holuhraun ist 2014/15 durch einen außerordentlich langen und massereichen Vulkanausbruch entstanden. „Die Flexibilität des DLR-Radarsystems F-SAR zur Erfassung interferometrischer und polarimetrischer Daten wird für die Entwicklung von Algorithmen zur Untersuchung des Planeten Venus von unschätzbarem Wert sein”, betont Scott Hensley vom JPL, Project Scientist für Veritas und Instrument Project Scientist für EnVision.
Solmaz Adeli vom DLR-Institut für Planetenforschung leitet das Team, das während der Island-Kampagne vulkanische Oberflächen spektroskopisch untersucht hat. „Das wird für uns bei der Charakterisierung der mineralogischen Zusammensetzung und des Ursprungs der wichtigen geologischen Terrains auf der Planetenoberfläche der Venus eine enorme Hilfe sein, wenn der Venus Emissivity Mapper während der Missionsphase echte Venusdaten aus dem Orbit liefert”, sagt sie. VEM ist eine vom DLR für die Missionen Veritas der NASA und EnVision der ESA bereitgestellte Spektralkamera, die im nahen Infrarot aufzeichnet. Es ist das erste Instrument, das speziell zum Kartieren der Gesteinsarten und der Mineralogie an der Oberfläche der Venus von der Umlaufbahn aus entwickelt wurde. „Die globale Kartierung der Mineralogie der Venus und die Entschlüsselung ihrer vulkanischen Geschichte und der Veränderung des Planeten über die Zeit ist eines der Hauptziele der Missionen Veritas und EnVision”, erklärt Adeli weiter.
Ihr Team verwendet den V-Emulator, einen Prototypen der Nahinfrarot-Multispektralkamera VEM, die an Bord von Veritas mitfliegen soll. Es werden Lavaströme klassifiziert, die von sehr frischem Gelände bis hin zu Gebieten reichen, die im Lauf der Geschichte verändert wurden. „Sehr frisch“ bedeutet für die Forscher auf Island, dass sie heiße, geschmolzene Lava messen können, Lava, die zwischen dem 10. Juli und Anfang August dieses Jahres aus dem Vulkan Litli-Hrútur ausströmte und momentan abkühlt.
Das Team hat auch Proben erstarrter Lava gesammelt, die in das Planetary Spectroscopy Laboratory am DLR-Standort Berlin gebracht werden. Dort wird bei Temperaturen wie auf der Venus in einer Simulationskammer ihr Emissionsgrad in unterschiedlichen Wellenlängen analysiert werden. Die spektralen Eigenschaften eines Gesteins bei „normalen“, also auf der Erde vorherrschenden Temperaturen unterscheiden sich von den Werten bei hohen Temperaturen wie auf der Venus. Um die Daten entsprechend interpretieren zu können, ist wichtig, dass man genau versteht, was gemessen wird.
Da es sehr wahrscheinlich ist, dass noch aktive Vulkane auf der Venus existieren, nutzt eine andere Gruppe im Veritas-Team die bei der Feldkampagne gewonnenen Daten, um die angenommene vulkanische Aktivität auf dem Erdnachbarn besser zu verstehen. „Wir untersuchen das Infrarotsignal aktiver Ausbrüche und suchen nach neuen Lavaströmen”, sagt Nils Müller, Gastwissenschaftler der FU Berlin am DLR-Institut für Planetenforschung. Die Dyngjusandur-Wüste und zwei durch Erdspalten ausgetretene Lavaströme – Holuhraun und Thorvaldshraun – sind hervorragende Analogien auf Island, um die Studien vorzubereiten. Diese jüngsten Lavaströme sind groß genug, um auch dann nachweisbar zu sein, wenn sie auf der Venus auftreten würden.
Die zweiwöchige Feldkampagne in Island begann am 31. Juli 2023. Das erste untersuchte Gelände ist das abgelegene Vulkangebiet Holuhraun in der Nähe des berühmten Vulkans Askja, der an den größten Gletscher Europas angrenzt, den Vatnajökull. Eingehend untersucht wurden mehrere ausgewählte Standorte, die vorab mit Daten der deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X charakterisiert wurden. Zum Abschluss begab sich das Team auf die Halbinsel Reykjanes, um den jungen Laven des Litli-Hrútur-Vulkans so nahe wie möglich zu kommen.
DLR / RK
Weitere Infos
- Mission Veritas, Jet Propulsion Laboratory, NASA – National Aeronautics and Space Administration, Pasadena, USA
- Planetare Labore, Institut für Planetenforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Berlin