13.07.2022 • Messtechnik

Identifikation per Mikrostruktur von Bauteiloberflächen

Bauteil-Rückverfolgung ermöglicht prozessübergreifende Qualitätsregelung.

Die Qualität von Präzisions­bau­teilen über den gesamten Produktions­prozess durch­gehend zu prüfen, ist nicht trivial. Oftmals werden die Bauteile über Werks- oder Unter­nehmens­grenzen hinaus gefertigt oder bearbeitet. Viele Komponenten sind nur wenige Millimeter groß, die Bauteil­geometrien sind komplex. Dabei liegen die Fertigungs­toleranzen häufig bei nur wenigen Mikrometern.

Abb.: Rotations­sym­me­trische Kopf­welle für ein Dental­instru­ment:...
Abb.: Rotations­sym­me­trische Kopf­welle für ein Dental­instru­ment: Das „Track & Trace“-Lese­system er­kennt die fili­granen Hoch­leis­tungs­bau­teile an­hand der Ober­flächen­struktur der Mantel­fläche. (Bild: Fh.-IPM)

Mit optischen 3D-Messverfahren lassen sich Geometrie- oder Oberflächen­defekte in der Produktion aufspüren. Wer jedoch aus wieder­kehrenden Fehlern lernen möchte, muss in der Lage sein, die Messdaten intelligent zu nutzen und sie an jeder Stelle der Produktion individuellen Bauteilen zuzuordnen. Voraus­setzung dafür ist eine Bauteil-Rück­ver­folgung. Am Beispiel eines Hoch­leistungs­injektor-Bauteils und einer Kopfwelle für ein filigranes Dental­instrument hat jetzt das Fraunhofer-Institut für physi­ka­lische Messtechnik gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Forschung gezeigt, dass eine solche adaptive Produktion von Präzisions­bauteilen möglich ist.

Für die Rückverfolgung von Produkten werden in der Regel Bar- oder Data­matrix­codes genutzt. Bei Präzisions­bauteilen fehlt der nötige Platz für solche Markierungen. Das markierungs­freie „Track & Trace“-Fingerprint-Verfahren vom Fraunhofer-IPM nutzt die individuelle Mikrostruktur der Bauteil­oberfläche für die Identi­fi­kation: Ein definierter Bereich der Bauteil­ober­fläche wird mit einer Kamera hoch­auf­gelöst aufge­nommen. Aus der Bild­aufnahme mit ihren spezi­fischen Strukturen und deren Position wird eine numerische Kennung errechnet und einer ID zugeordnet. Diese Paarung wird in einer Datenbank hinterlegt. Zur späteren Identi­fi­zierung wird der Vorgang wiederholt, ein Daten­abgleich liefert die ID zurück.

Im Rahmen des Projekts ProIQ wurde die Technologie erstmals auch für rotations­symmetrische Objekte genutzt. Die Schwierigkeit: Der Fingerprint-Bereich muss zur Identi­fi­kation exakt positioniert sein. Leichte Ungenauig­keiten können bei recht­eckigen Bauteilen software­seitig durch Verschieben oder Verdrehen der Aufnahme in den Fingerprint-Bereich korrigiert werden. Nicht so bei rotations­symme­trischen Bauteilen: Hier bleibt die Rotations­lage unbekannt, sodass die Fingerprints nicht abgeglichen werden können.

Das Fraunhofer-IPM hat nun den „Track & Trace“-Fingerprint-Algorithmus weiter­ent­wickelt, sodass der Fingerprint Infor­ma­tionen aus allen Rotations­lagen beinhaltet, gleich­zeitig aber die dabei entstehenden redundanten Infor­ma­tionen verworfen werden. Damit ist ein Abgleich im Produk­tions­takt auch bei unbekannter Rotations­lage möglich.

Dass das funktioniert, wurde anhand von Präzisions­bauteilen der Projekt­partner Robert Bosch und Sirona Dental Systems gezeigt: Bei Bosch gelang es dem Team, Düsennadeln für den Hoch­leistungs­injektor anhand der Stirnseite der zylinder­ähnlichen Bauteile seriennah zu identi­fi­zieren. Bei der Kopfwelle eines Sirona-Dental­bauteils stand keine Stirnfläche zur Verfügung, sodass hier die Mantel­fläche mit einem eigens entwickelten Lesesystem aufgenommen wurde. Eine besondere Heraus­forderung dabei war, dass die Bauteile geschliffen und gehärtet werden, was die Oberfläche verändert. Dennoch wurden zum Projekt­abschluss mit Ausnahme eines einzigen, stark beschädigten Bauteils alle Komponenten sicher identi­fiziert. Damit ist die markierungs­freie Rück­ver­folgung anhand der Oberfläche alter­nativen Technologien deutlich überlegen.

FG / RK

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