12.10.2022 • Optik

Heinrich-Wieland-Preis 2022 verliehen

Xiaowei Zhuang für ihre superauflösenden bildgebenden Methoden und die damit erzielten Ergebnisse ausgezeichnet.

Xiaowei Zhuang von der Harvard University erhält den diesjährigen Heinrich-Wieland-Preis der Boehringer-Ingelheim-Stiftung in Höhe von 100.000 Euro für ihre brillanten bild­gebenden Verfahren, mit denen sie bahn­brechende Entdeckungen in der Zell- und Neuro­biologie gemacht hat. Ihre Methode STORM zeigt Strukturen in lebenden Zellen Strukturen von nur hundert Atomen Breite und die ebenfalls von ihr entwickelte Methode MERFISH zeigt, wo genau in einer Zelle welche Gene aktiv sind – und das für bis zu zehntausend Gene gleichzeitig. In den vergangenen 16 Jahren haben Zhuang und andere Forscher in aller Welt mit diesen Methoden bereits wertvolle Einsichten in komplexe biologische Vorgänge erzielt. Zhuang wurde den Heinrich-Wieland-Preis während einer feier­lichen Zeremonie am 6. Oktober in München überreicht.

Abb.: Xiaowei Zhuang erhält den Heinrich-Wieland-Preis 2022 für ihre...
Abb.: Xiaowei Zhuang erhält den Heinrich-Wieland-Preis 2022 für ihre super­auf­lösenden Methoden STORM und MERFISH und die damit er­zielten wissen­schaft­lichen Erge­bnisse. (Bild: Xiaowei Zhuang Labor, HHMI, Harvard U.)

STORM – kurz für Stochastische optische Rekon­struk­tions-Mikroskopie – ist eines der ersten Verfahren in der Licht­mikro­skopie, welches die Beugungs­grenze des Lichts umgeht. Zwar gab es auch schon vorher Methoden, die deutlich unter dieser Grenze arbeiten können, wie die Elektronen­mikroskopie. Allerdings kann man damit – im Gegensatz zur Licht­mikroskopie – keine lebenden, intakten Zellen oder Gewebe untersuchen. Mit konven­tio­nellen Licht­mikroskopen kann man Strukturen von einer Größe von zwei­hundert Nanometern sichtbar machen – das entspricht der Größe eines Grippevirus. Das super­auf­lösende Verfahren STORM hingegen zeigt Strukturen von nur zehn Nanometern, so groß wie hundert aufgereihte Atome oder ein durch­schnitt­liches Protein. STORM ermöglicht es daher, einzelne Proteine zu beobachten, wie sie im dicht gepackten Inneren von lebenden Zellen ihren Aufgaben nachgehen.

„Was die Errungen­schaften von Zhuang so einzigartig macht, ist, dass sie nicht nur brillante Technologien entwickelt hat, sondern diese selbst genutzt und Entdeckungen in der Zell- und Neuro­biologie gemacht hat, die die Lehrbücher verändern werden“, sagt F.-Ulrich Hartl, der Vorsitzende des Auswahl­komitees für den Heinrich-Wieland-Preis. „So hat sie zum Beispiel in Nerven­zellen einen neuen Teil des Zell­skeletts entdeckt, dessen Existenz niemand bis dahin auch nur vermutete. Heute wissen wir, dass er in den Gehirnen von so unter­schied­lichen Wesen wie Fadenwürmern und Menschen vorkommt.“ Die Struktur ähnelt einem Gitterkäfig. Sie stabilisiert besonders die langen Fortsätze der Nervenzellen und ist wichtig für die Weiter­leitung von Signalen. „Diese bemerkens­werte Struktur ist sicherlich eine der aufsehen­erregendsten Entdeckungen, die bisher mit super­auf­lösenden Mikroskopen gemacht wurden“, fügt Hartl hinzu.

Während man mit STORM eine kleine Anzahl verschiedener Moleküle bis ins Detail unter­suchen kann, ermöglicht Zhuangs Methode MERFISH die Aktivität von mehr als hundert­tausend verschiedenen Genen in einer Zelle gleich­zeitig abzubilden. MERFISH steht für die englische Abkürzung von Mehrfach fehler­robuste Fluoreszenz-In-Situ-Hybridi­sierung. Mit dieser Methode kann man heraus­finden, welche der vielen Gene in einem Augenblick in der Zelle aktiv sind, und das in Millionen von Einzelzellen eines Gewebes wie dem Gehirn.

Zhuang hat mit MERFISH Profile für die Aktivität einer Vielzahl von Genen im Gehirn erstellt. So entstand eine hoch­auf­lösende drei­dimen­sionale Karte des Gehirns, die zeigt, wie verschiedene Typen von Nervenzellen räumlich und funktionell im Gehirn angeordnet sind. Dadurch entdeckte Zhuang Hunderte neuer Zelltypen und identi­fi­zierte markante Unterschiede zwischen Mäuse- und Menschen­gehirnen.

Sowohl STORM als auch MERFISH sind unschätzbar wertvolle Methoden für die Wissenschaft und werden weltweit bereits in vielen Forschungs- und Industrie­laboren eingesetzt. So ist MERFISH zum Beispiel eine der Schlüssel­techno­logien für den Human Cell Atlas, einer welt­weiten Initiative mit dem Ziel, alle Zellen im mensch­lichen Körper zu kartieren und auf molekularer Ebene zu beschreiben. Auf dieser Grundlage hoffen Forscher, den gesunden mensch­lichen Körper besser zu verstehen und so Krankheiten genauer diagnos­ti­zieren und gezielter behandeln zu können.

BIS / RK

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