Hardware für das künstliche Gehirn

Magnetische Nano-Scheiben mit KI-Potenzial entwickelt.

Das menschliche Gehirn arbeitet effi­zienter und energie­sparender als jeder Computer. Es verarbeitet Signale dynamisch. Neuro­inspi­rierte Rechner ahmen diese dynamischen Strukturen nach – aller­dings bislang vor allem durch Software­lösungen. Eine viel­ver­sprechende Hardware-Entwick­lung haben jetzt Forscher Alina Deac vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossen­dorf vorgestellt. Sie nutzen aus, dass schwingende Magnetwirbel in Nano-Scheiben ähnliche Aktivitäts­muster zeigen können wie mit­ein­ander kommuni­zierende Nerven­zellen im Gehirn. Mittels Ionen­bestrahlung gelang es dem Team, die Scheiben so zu mani­pu­lieren, dass die Wirbel erstmals auf mehr als einer Frequenz Signale senden und empfangen können. Das öffnet neue Möglich­keiten für minia­turi­sierte Anwendungen künst­licher Intelligenz.

Abb.: Eine Scheibe aus magne­tischem Material wird mit Chrom-Ionen (orange)...
Abb.: Eine Scheibe aus magne­tischem Material wird mit Chrom-Ionen (orange) bestrahlt. Um eine räum­liche Ab­gren­zung zwischen be­strahl­ten und nicht be­strahl­ten Be­reichen zu er­reichen, wird eine Schutz­schicht (grün) ring­förmig auf der Scheibe auf­ge­bracht. Der Schutz­schicht blockiert die Ionen, so dass der Bereich unter ihr aus un­ge­störtem magne­tischem Material (magenta) be­steht. In den schutz­losen Be­reich in der Mitte der Scheibe (blau) dringen die Ionen ein und ver­ur­sachen eine Ab­nahme des magne­tischen Moments. (Bild: HZDR / Juniks)

Integrierte, spintronische Techno­logien mini­mieren Wärme­verluste durch elektrischen Strom, indem sie die Spins der Elektronen zusätzlich zu der Elektronen­bewegung für die Informations­über­tragung nutzen – oder sogar mit reinen Spinströmen Energie­verluste durch Wärme komplett vermeiden. Die Vision des neuro­morphen Computings geht noch einen Schritt weiter. Sie soll völlig neue Rechen­archi­tek­turen reali­sieren, die die dynamische Natur des mensch­lichen Gehirns nach­empfinden.

„Jede unserer Nerven­zellen hat über sieben­tausend Synapsen, um mit anderen Neuronen zu kommuni­zieren. Das macht das Gehirn unglaublich effizient. Parallele Daten­ver­arbeitung oder Grafik­karten können da bei Weitem nicht mithalten“, erklärt Deac. „Gerade beim neuro­inspi­rierten Rechnen stehen Hardware­ent­wick­lungen noch ganz am Anfang. Hier können wir mit unserer Forschung einen echten Unter­schied machen.“

Der Ansatz des Teams basiert auf schwingenden Magnet­wirbeln. Das Grund­prinzip: In ultra­dünnen Nano­strukturen aus magne­tischen Materialien können sich die Spins der Elektronen wirbel­förmig anordnen – ähnlich einem Trichter oder Wirbelsturm. Über die jeweilige Dreh­richtung und die Orientierung im Kern nach oben oder unten kann jeder Wirbel vier unter­schiedliche Zustände annehmen, also zwei Bit Information speichern. Über einen äußeren Stromimpuls manipu­lieren die Forscher die Position des Kerns. Dieser bewegt sich dann spiral­förmig zum Ausgangs­punkt zurück.

Wiederholt man den Impuls immer wieder im genau richtigen Moment, beginnt der Wirbel kreis­förmig um sein Zentrum zu schwingen. Diese Schwingungen sind wichtig für das neuro­morphe Computing, weil mehrere Wirbel über sie Informa­tionen austauschen, also unter­ein­ander kommuni­zieren können. Ihre Schwingungen synchro­ni­sieren sich. Biologische Neuronen nutzen ein ähnliches Prinzip: Ihre Synapsen feuern schnelle elektrische Pulse.

Bislang waren die magnetischen Wirbel-Schwingungen auf eine einzige Resonanz­frequenz beschränkt, die von den geometrischen Eigen­schaften der Nano-Scheibe bestimmt wird. Jetzt gelang erstmals das Design von Nanoscheiben, in denen Spin-Wirbel auf mehr als eine Frequenz ansprechen. Mit Hilfe modernster Elektronen­strahl­lithog­raphie, Reinraum­ein­richtungen und präzisem Ionen­beschuss im Ionen­strahl­zentrum des HZDR wurden zwei abgegrenzte Bereiche in den Scheiben mit unter­schied­lichen Magneti­sierungs­graden erzeugt – und dadurch unter­schied­lichen Resonanz­frequenzen. Die künstlichen Synapsen und Neuronen können dann quasi auf mehreren Kanälen funken. Experimente zur Sprach­erkennung mit schwingenden Wirbeln haben gezeigt, dass mehrere Frequenzen in einem System Voraus­setzung für die Muster­erkennung künstlicher Intelligenz sind. Die nano­struk­tu­rierten Scheiben bieten diese Möglichkeit jetzt in einem einzigen Bauteil.

Damit ihrer Entwicklung auch der Sprung in Anwendung und industrielle Fertigungs­prozesse gelingen kann, kooperieren die Forscher eng mit weiteren Wissen­schafts­partnern und Unter­nehmen vor Ort. „Dresden ist ein einzig­artiger Standort für Innova­tionen rund um neuro­morphes Computing oder Wi-Fi-Technologien. Es ist ein Riesen­vorteil, dass wir unsere Entwicklung hier bereits vor Ort auf ihre Praxis­tauglich­keit testen können. Zum Beispiel können wir die Nanoscheiben mit unseren Partnern an der TU Dresden und bei der Industrie lang­fristig auch in komplexere Elektronik integrieren“, erläutert Deac. Das Anwendungs­spektrum der neuen Multi­frequenz-Nanoscheiben ist enorm. Bereits heute werden Magnetwirbel-Technologien in kommer­ziellen Magnet­speichern und für neue Draht­los­techno­logien eingesetzt.

HZDR / RK

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