28.01.2021 • Nanophysik

Großes Potenzial für kleinste Strukturen

EU-Forschungsnetzwerk soll Erzeugung von Nanostrukturen mit fein fokussierten Ionenstrahlen voranbringen.

Ein fein fokussierte Ionenstrahl ist ein nützliches Werkzeug in der Nano­techno­logie und in der Analytik. Wissen­schaftler nutzten diese FIB-Technologie bisher vor allem, um Proben für bestimmte Mikroskopie-Techniken zu präparieren, etwa bei der Fehlersuche in der Halb­leiter­industrie. Doch FIBs können viel mehr. Das vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf initiierte EU-Netzwerk­projekt „Fokussierte Ionen­techno­logie für Nano­materialien – FIT4NANO“ will Forscher und Unternehmen aus ganz Europa zusammen­bringen, um die Technologie gemeinsam weiter­zu­entwickeln und neue Anwendungen zu erschließen.

Abb.: Kieselalge unter dem Helium-Ionen­mikro­skop des HZDR. (Bild: HZDR)
Abb.: Kieselalge unter dem Helium-Ionen­mikro­skop des HZDR. (Bild: HZDR)

Charakteristisch für FIBs im niedrigen Energiebereich von unter fünfzig Kilo­elektronen­volt sind der geringe Strahl­durch­messer im Nano- und Sub­nano­meter-Bereich, eine hohe Stromdichte sowie eine vielfältige Auswahl an nutzbaren Ionen. „Aufgrund dieser Eigenschaften haben fokussierte Ionenstrahlen ein großes Potenzial für viele weitere Anwendungen in der Nano­techno­logie“, erklärt Gregor Hlawacek, Leiter der Arbeitsgruppe Ionen­induzierte Nano­strukturen am HZDR-Institut für Ionen­strahl­physik und Material­forschung und Koordinator des FIT4NANO-Projekts. „Beispielsweise lassen sich damit im Nanobereich Oberflächen flexibel strukturieren oder lokale Material­eigen­schaften gezielt verändern. Für die Quanten­techno­logie, die Halb­leiter­industrie oder die Modifizierung von zwei­dimensionalen beziehungsweise 2D-Materialien – also kristallinen Materialien, die aus nur einer oder wenigen Lagen von Atomen oder Molekülen bestehen – könnte unsere Technologie bedeutsam werden. Auch bei Anwendungen in der Medizin werden FIBs zukünftig eine wichtige Rolle spielen.“

FIT4NANO will Entwickler, Hersteller und Anwender der FIB-Technologie aus ganz Europa miteinander vernetzen und Kontakt- und Austausch­möglich­keiten schaffen. Ziel ist es, die grundlegenden Erkenntnisse zur Nutzung fokussierter Ionenstrahlen zusammen­zu­führen, Kooperationen zu ermöglichen und gemeinsam neue Produkte und Anwendungs­techniken zu entwickeln. An dem Projekt nehmen etwa achtzig experimentelle und theoretische Arbeits­gruppen aus dreißig Ländern teil.

Im Mittelpunkt stehen sowohl funktionelle Nano­strukturen und -materialien als auch Ionenstrahl-basierte Analyse­methoden. Zum Beispiel lassen sich auf der Nanoebene die elektrischen Eigenschaften von 2D-Materialien so verändern, dass aus Leitern Halbleiter werden. In Richtung Quanten­kommuni­kation zielen die Forschung zu Defekten in 2D-Materialien und der Einbau einzelner Ionen. Eine Anwendung mit Heliumionen, die Heliumionen-Mikroskopie, ermöglicht direkte Einblicke in biologische Proben wie Zellstrukturen und Virus­partikel, so etwa auch in die Interaktion von SARS-CoV-2 mit zur Herstellung von Impfstoffen genutzten Vero-Zellen – ein aktueller Beitrag der Ionen­strahl­physiker zur Entwicklung neuer Vakzine gegen Corona-Viren. Arbeits­gruppen am HZDR und ihre Partner verwenden FIBs darüber hinaus, um Degradations­prozesse in Lithium-Akkumulatoren zu erkennen oder Mineralien in neuen Erzlager­stätten auf die Spur zu kommen.

Das auf vier Jahre angelegte Programm startete Mitte Oktober 2020 mit einem Kick-off-Meeting, das Corona-bedingt als Video­konferenz stattfand. Für den Austausch und Wissens­transfer untereinander sind neben jährlichen projekt­weiten Treffen auch Schulungen für Doktoranden und Postdocs, kürzere wissen­schaftliche Austausche, die Bereit­stellung von Datenbanken und gemeinsame Veröffent­lichungen geplant.

Die größte Arbeitsgruppe bilden Anwender, die fokussierte Ionenstrahlen für die Material­analyse und die Herstellung neuartiger Nano­materialien in einer Größen­ordnung unter zehn Nanometer nutzen wollen. In einer anderen Gruppe kooperieren akademische und kommerzielle Technologie­entwickler, um weitere Ionen­quellen wie Eisen-, Kobalt- oder Nickel­legierungen für FIB-Anwendungen nutzbar zu machen oder neue Probenhalter, Detektoren und andere, verbesserte Werkzeuge zu entwickeln.

Die Wechselwirkungen zwischen Ionen und Festkörpern besser zu verstehen ist das Ziel der Arbeitsgruppe „Theorie und Simulation“. Auf Längen­skalen im Mikro­meter­bereich sind sie gut erforscht. Doch bearbeiten die Wissen­schaftler nur nano­meter­große Strukturen mit ihren FIBs, werden an den Proben­rändern ablaufende, zuvor vernach­lässig­bare Prozesse wie die Abtragung von Material nun über­proportional bedeutsam. Außerdem können die Ionen nicht mehr ihre gesamte Energie im Innern der Probe abgeben, was zu einer Abweichung vom erwarteten Effekt führt. Auch andere Vorgänge bei Proben­größen im Nano­meter­bereich sind noch nicht verstanden. So beobachteten die Forscher manchmal eine unerwartete Stabilität von Strukturen gegen die zerstörerische Wirkung des fokussierten Ionenstrahls, aber oft auch das Gegenteil. Antworten auf diese Fragen sind jedoch grundlegend für neue Anwendungen.

Eine vierte Gruppe engagiert sich in der Kommunikation und Öffentlichkeits­arbeit. Nicht nur der Wissens­transfer untereinander, auch der zu Industrie und interessierten Laien soll gefördert werden. Die Initiatoren des Projekts möchten ihre Forschung vor allem Lehrkräften und Schülern nahebringen und für das Thema begeistern, unter anderem auch durch die Entwicklung und Bereit­stellung von Lehrmaterial.

Grundlage für die erfolgreiche Zusammen­arbeit im Netzwerk ist der Zugang zu Informationen, vor allem zu solchen, die für viele der Beteiligten bisher nicht verfügbar sind. Das betrifft europaweit vorhandene Geräte ebenso wie Forschungs­daten und Methoden­wissen. Mit dem „FIB-Almanach“ soll eine Datenbank entstehen, die besondere Instrumente, deren Verfügbarkeit und Anwendungs­spektren auflistet. Außerdem wird ein „FIB-Atlas“ mit Referenz­daten und einer Ionen- und Material­daten­bank erstellt. Hier finden Wissen­schaftler Informationen zu Methoden, Standard­bedingungen oder vorhandene Lösungen zu ihrer Frage­stellung.

HZB / RK

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