27.02.2020 • Geophysik

Geodynamo im Silikatgestein

Komplexe Simulationen sprechen für Ursprung des frühen Erdmagnetfelds im unteren Erdmantel.

Das Erdmagnetfeld ist zwar für die Entstehung von Leben auf unserem Planeten entscheidend, birgt aber immer noch viele Geheim­nisse in sich. So weiß man aus der Analyse uralter Zirkon­einschlüsse in Mineralien, dass die Erde schon vor 4,2 Milliarden Jahren ein nennens­wertes Magnet­feld aufwies. Das ist lange, bevor der innere Erdkern sich verfestigen konnte und der heute existierende Dynamo-Mechanismus im äußeren Erdkern seine Tätigkeit aufnahm. Dieser ist vermutlich nur etwas über eine halbe Milliarde Jahre alt.

Abb.: Ströme im Magmaozean könnte eine wichtige Rolle für das Erdmagnetfeld...
Abb.: Ströme im Magmaozean könnte eine wichtige Rolle für das Erdmagnetfeld gespielt haben. (Bild: L. Stixrude, UCLA)

Das heutige Magnetfeld verdankt sich der Konvektion im äußeren Erdkern, der haupt­sächlich aus flüssigem Eisen und Nickel besteht. In den alten Zirkon­kristallen ist aber ein über­raschend starkes Magnetfeld einge­schrieben, das eine ähnliche Feldstärke aufwies wie das heutige. Da gerade in dieser frühen Phase unseres Sonnen­systems der Sonnen­wind sehr stark war, hat dieses Magnetfeld die Atmo­sphäre und den Wasser­gehalt auf der Erde vor Erosion geschützt. Der Ursprung des alten Geodynamos ist aber immer noch unklar. Nun hat ein Forscherteam um Lars Stixrude von der University of California in Los Angeles ein wichtiges Indiz gefunden, das zu einer Neu­bewertung der Situation im unteren Erdmantel führen konnte.

Die Wissenschaftler haben sich das Verhalten von Silikat­gesteinen unter hohem Druck mittels aufwändiger Dichte­funktional­rechnungen genauer angeschaut. „Bislang wurde dies noch nie in dieser Form gemacht, weil flüssige Silikate als ionische und nicht als elektrische Leiter gelten“, sagt Stixrude. Damit galten Silikate bislang als uninteres­sant, weil sie nicht den notwendigen elektrischen Stromfluss zur Erzeugung eines Magnetfelds aufbringen können. Es gibt bisher auch keine experi­men­tellen Daten zu Silikaten unter solch extremen Bedingungen mit hohem Druck und hoher Temperatur.

Um die Leitfähigkeit abzuschätzen, führten die Forscher molekular­dynamische Simula­tionen aus, die die Zusammen­setzung des Erdmantels an Silikaten und den sechs wichtigsten Oxid­bestand­teilen wider­spiegeln. Dabei gingen sie von den Bedingungen im unteren Erdmantel aus, was ungefähr einem Druck von 120 Gigapascal und einer Temperatur von 4000 Kelvin entspricht. Dabei konnten die Forscher in ihren Simula­tionen bis zu 1129 Atome zugleich berück­sichtigen – ein Spitzen­wert für derartige Berechnungen in den Geowissen­schaften. Die elektrische Leit­fähig­keit berechneten die Forscher mit Hilfe der Green-Kubo-Formel, mit der sich Transport­koeffi­zienten im Rahmen einer quanten­statis­tischen Auswertung gewinnen lassen.

Das überraschende Ergebnis: Die Leit­fähig­keit flüssiger Silikate unter diesen Bedingungen stieg um mehr als den Faktor 100 gegenüber Normal­bedin­gungen an und erreichte Werte von über 10.000 Siemens pro Meter. Wie die Wissen­schaftler weiter heraus­fanden, überstieg damit die magnetische Reynolds­zahl den Grenzwert, ab dem sich ein Geodynamo bilden kann. Eine Abschätzung der damit möglichen Magnet­feld­stärken passt auch zu den in alten Gesteinen dokumen­tierten Werten. Da zu Silikaten unter solchen Bedingungen keine experi­men­tellen Werte zur elektrischen Leit­fähig­keit vorliegen, zogen die Forscher zum Vergleich Messwerte an Magnesium- und Eisen­oxiden heran. Diese passten gut zu den jetzigen Simula­tionen.

Es könnte also gut sein, dass sich der Geodynamo zunächst im unteren, basal­tischen Erdmantel heraus­gebildet hat, um dann nach Milliarden von Jahren der lang­samen Abkühlung weiter nach unten in den äußeren, eisen­haltigen Erdkern zu wandern. Wenn das Erdmagnet­feld früher auch schon eine ähnliche Stärke besaß wie heute, so könnte seine Form doch anders gewesen sein. Das ließe sich vielleicht anhand geolo­gischer Proben heraus­finden. Wie sich die Übergangs­phase zwischen Mantel- und Kerndynamo abgespielt hat, dürfte viele interes­sante Fragen mit sich bringen. „Die Daten­grund­lage an Milliarden Jahre alten Gesteinen ist natürlich spärlich“, sagt Stixrude, „aber Messungen ihrer magne­tischen Feldstärke und Feld­richtung könnten uns Anzeichen für einen Wechsel von einem silikat- zu einem eisen­getriebenen Dynamo geben.“

Nicht zuletzt für die Erforschung von Exoplaneten sind diese Ergeb­nisse von Bedeutung. Auch wenn der Nachweis von Magnet­feldern bei erd­ähnlichen Exoplaneten beziehungs­weise bei Super-Erden große techno­logische Heraus­forde­rungen mit sich bringt, so könnte dies doch für die Einschätzung ihrer Bewohn­bar­keit entscheidend sein. Bislang sind silikat­getriebene planetare Dynamos zwar noch unbekannt. Aber sie könnten gerade bei Super-Erden eine wichtige Rolle spielen, da diese Planeten im Durch­schnitt höhere Temperaturen aufweisen als erdähn­liche Planeten und deshalb auch umfang­reichere und über längere Zeit entsprechend aktive Magma-Ozeane aufweisen. Da Magnet­felder die Planeten­atmo­sphären vor Erosion durch Sonnen­winde schützen, könnte das elektrische Verhalten von Gesteins­arten unter hohem Druck wesent­lichen Einfluss auf die Lebens­freund­lich­keit von Exoplaneten besitzen.

Dirk Eidemüller

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