Gefrorenes Licht in Graphen
Starke Lichtabsorption könnte als Grundlage für extrem empfindliche Infrarot- und Terahertz-Detektoren dienen.
Auf eine ungewöhnlich starke Lichtabsorption in Graphen ist ein internationales Forscherteam gestoßen. Der Effekt entsteht durch die Umwandlung gewöhnlicher elektromagnetischer Wellen in langsame Oberflächenwellen. Die Beobachtung ist von grundlegendem Interesse und zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie das Zusammenspiel von Bernstein-Moden, kollektiven Anregungen von Elektronen, die durch ihre Zyklotronbewegung angetrieben werden, und die Verschmierung elektrischer Felder auf kleinsten Skalen aufgrund von Nichtlokalitäten die Strahlungsabsorption von Graphen beeinflussen kann. Dieses Verhalten könnte als Grundlage für extrem empfindliche Infrarot- und Terahertz-Detektoren dienen, die viel kleiner sind als herkömmliche Detektoren, aber eine ähnliche Absorptionsleistung aufweisen.
Die Effizienz der Energiegewinnung durch Licht ist normalerweise proportional zur Fläche des absorbierenden Objekts. Doch ein Objekt kann auch Strahlung von einer Fläche absorbieren, die größer ist als es selbst, wenn die Frequenz des Lichts mit der Bewegung der Elektronen im Absorber in Resonanz ist. In diesem Fall liegt die Fläche der Strahlungsabsorption in der Größenordnung des Quadrats der Lichtwellenlänge, obwohl der Absorber selbst sehr klein sein kann. Ein Wasserstoffatom zum Beispiel hat eine Fläche in der Größenordnung von einem Angström zum Quadrat. Wird es jedoch von einer Strahlung beleuchtet, deren Frequenz mit dem Übergang zwischen den Elektronenbahnen synchron ist, kann sich die Absorptionsfläche um einen Faktor von etwa Zweihunderttausend vergrößern.
Um elektromagnetische Wellen - von Radiofrequenzen bis hin zum ultravioletten Bereich - mit möglichst geringen Verlusten zu empfangen, werden resonante Absorptionsphänomene genutzt. Zwei Klassen von Resonanzen sind für diese Anwendungen besonders vielversprechend: Die erste und grundlegendste wird Zyklotronresonanz genannt und tritt auf, wenn die Frequenz der eintreffenden elektromagnetischen Welle mit der Frequenz übereinstimmt, mit der sich das Elektron auf einer Kreisbahn in einem angelegten Magnetfeld bewegt. Die zweite Resonanz entsteht durch die synchrone Bewegung der Elektronen und des elektromagnetischen Felds von einer Probengrenze zur anderen und wird Plasmonenresonanz genannt. Beide Resonanzen sind in verschiedenen Systemen erfolgreich experimentell untersucht worden. Der beobachtete Effekt der Absorptionsverstärkung war jedoch bei den meisten der bisher untersuchten Halbleiter gering.
In der jetzt präsentierten Arbeit des Teams wurde die Absorption elektromagnetischer Wellen unter Bedingungen untersucht, bei denen beide Resonanzen gleichzeitig auftreten. Zur Untersuchung dieses Phänomens wurde die Frequenz der elektromagnetischen Welle im Bereich von wenigen Terahertz gewählt. Für die Experimente, die am Terahertz-Zentrum der Uni Regensburg von Erwin Mönch unter der Leitung von Sergey Ganichev durchgeführt wurden, wurde Graphen ausgewählt. Seine hohe Reinheit ermöglicht nicht nur Plasmaschwingungen in der Struktur, sondern bewahrt sie zusätzlich, da die Elektronen von einer Grenze der Probe zur anderen gelangen können, ohne auf Verunreinigungen zu stoßen.
Wenn man Graphen einem Magnetfeld aussetzt, schafft man die Voraussetzungen für die Zyklotronresonanz. Die Strahlung eines Terahertz-Lasers wurde verwendet, um Graphen anzuregen, was zu einem überraschenden Ergebnis führte: Während das Photosignal bei der herkömmlichen Zyklotronresonanz klein war, beobachteten die Forscher bei der doppelten Frequenz eine enorme Photoantwort. Ein detaillierter Vergleich des Experiments mit der Theorie zeigte, dass das starke Photosignal auf die Wechselwirkung der Zyklotron- und Plasmonenresonanzen zu Bernstein-Moden zurückzuführen ist, also zu Schwingungen der Elektronendichte, die durch die Zyklotronbewegung angetrieben werden.
Die eintreffende Terahertz-Strahlung wird an der Probenoberfläche umgeformt und koppelt an diese Moden. In der Nähe der Frequenz der doppelten Zyklotronresonanz werden die Plasmonenwellen stark abgebremst: Ihre Geschwindigkeit sinkt fast auf null, so dass die Elektronen in eine Art Starre fallen. Licht, das auf Graphen trifft, wird eingefangen und in eine ultralangsame Oberflächenwelle umgewandelt. Diese Wellen bleiben im Graphen stecken und verbleiben dort, bis sie absorbiert werden. Je mehr Licht Graphen also absorbiert, desto mehr erwärmt es sich und desto mehr ändert sich sein Widerstand, was zu einem größeren Photosignal führt. Daher ist die Änderung des Widerstands von Graphen unter Lichteinwirkung ein Maß für sein Absorptionsvermögen.
In diesem Zustand ist Graphen eine Art Superabsorber. Das heißt, es wird nicht nur Licht aus einem Bereich eingefangen, der größer ist als seine geometrische Größe, sondern auch aus einem Bereich, der größer ist als das Quadrat der Wellenlänge. Die anomal niedrige Plasmonengeschwindigkeit in Graphen schafft alle Voraussetzungen dafür.
Im Rahmen dieser Studie erwies sich Graphen als eine sehr geeignete Plattform für die Beobachtung einer anomal starken Terahertz-Absorption. Diese Untersuchungen werfen ein neues Licht auf die Wechselwirkung zwischen Licht und Materie und erweitern die Rolle elektromagnetischer Felder auf kleinsten Skalen. Die Beobachtbarkeit des Phänomens ist jedoch nicht auf Graphen allein beschränkt. Viele Materialien und darauf basierende Nanostrukturen unterstützen ultralangsame Oberflächenwellen. Diese zu entdecken und zu erforschen ist das Ziel des internationalen Forscherteams.
U. Regensburg / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
D. A. Bandurin et al.: Cyclotron resonance overtones and near-field magnetoabsorption via terahertz Bernstein modes in graphene, Nat. Physics, online 7. Februar 2022; DOI: 10.1038/s41567-021-01494-8 - Terahertz Science and Technology (S. D. Ganichev), Terahertz-Zentrum, Universität Regensburg