06.09.2024

Flug in die rätselhafte Sonnenkorona

In der neuen „Physik in unserer Zeit“ beginnt ein Zweiteiler zur Parker Solar Probe mit ihren tiefen Einblicken in die äußere Sonnenatmosphäre.

Hardi Peter

Sonnenfinsternisse sind ganz besondere Naturschauspiele, die uns Menschen schon immer fasziniert haben. Durch einen Zufall der Natur hat unser Mond von der Erde aus gesehen fast den gleichen scheinbaren Durchmesser wie die Sonne und kann bei geeigneter Konstellation gerade die Scheibe der Sonne abdecken. Erst dann wird die äußere Atmosphäre der Sonne sichtbar, die normalerweise vom gleißend hellen Licht der Sonnenoberfläche überstrahlt wird. Bei der Finsternis liegt das Licht wie eine Krone um die abgedunkelte Sonnenscheibe; daher ihr Name: Korona. Zu früheren Zeiten wurden Sonnenfinsternisse, wie auch Kometen, als Omen gedeutet, meist von der schlechten Sorte. Die Himmelsmechanik hat uns allerdings gelehrt, den Schrecken dieser Vorkommnisse zu überwinden.


Abb.: Die Parker Solar Probe der NASA kommt der Sonne so nahe wie noch keine...
Abb.: Die Parker Solar Probe der NASA kommt der Sonne so nahe wie noch keine Sonde zuvor und fliegt sogar durch die bei einer Sonnenfinsternis sichtbaren Bereiche der Korona.
Quelle: S. Gribben / NASA

Dabei ist die Korona nicht nur ein phänomenales Erlebnis, sondern auch aus physikalischer Sicht faszinierend. Vor über achtzig Jahren hat man im Zusammenspiel mit der damals noch jungen Atomphysik verstanden, dass die Korona Millionen Grad Celsius heiß sein muss. So stellt sich die Frage, wie die Heizenergie von der „nur“ knapp 6000 Grad kühlen Oberfläche in die Korona transportiert werden kann, scheinbar entgegen den Gesetzen der Thermodynamik. 

Der Schlüssel hierfür ist das Magnetfeld, das im Inneren der Sonne durch die Konvektionsströmungen in einem Dynamoprozess erzeugt wird. Bildlich gesprochen passt dieser Schlüssel allerdings noch nicht recht ins Schloss. Denn welche Prozesse am Ende zur Heizung der Korona wesentlich beitragen, ist eine der großen Fragen der stellaren Astrophysik. Viele aktuelle Untersuchungen widmen sich diesem Thema, das komplexe Vorgänge aus den Bereichen Plasmaphysik, Turbulenz, Hydrodynamik, Strahlungstransport und Atomphysik verbindet.

Eine Relevanz für unsere moderne Gesellschaft ergibt sich, da die magnetischen Strukturen in der Korona instabil werden können und dann große Mengen an Materie und magnetischer Energie in den interplanetaren Raum geschleudert werden. Diese koronalen Massenauswürfe, oder Sonnenstürme, können zu signifikanten Störungen in der Magnetosphäre und Ionosphäre der Erde führen. Dieses Weltraumwetter führt einerseits zu wundervollen Vorgängen wie den Polarlichtern, wie sie zuletzt im Mai auch in Deutschland gut zu sehen waren. Andererseits gibt es auch negative Folgen, unter anderem Störungen der Kommunikation und Satellitennavigation oder Belastungen der großräumigen Stromnetze. 

Zu einem besseren Verständnis der Sonne und des von ihr abströmenden Sonnenwindes gibt es eine Reihe von Observatorien am Boden und im Weltall. Mit Raumsonden kann man Teilchenflüsse und Magnetfelder direkt im Sonnenwind messen. Die Parker Solar Probe der NASA nimmt dabei eine Sonderstellung ein, weil sie der Sonne so nahe kommt wie noch keine Sonde zuvor und sogar durch die bei einer Sonnenfinsternis sichtbaren Bereiche der Korona fliegt. In der neuen Ausgabe von „Physik in unserer Zeit“ beginnt ein Zweiteiler von Volker Bothmer, der an dieser bahnbrechenden Mission mitgewirkt hat. Solar Orbiter, eine gemeinsame Mission von ESA und NASA, kommt der Sonne zwar nicht ganz so nahe, kann dafür aber auch direkt auf die Sonne schauen. 

Besonders interessant wird es, wenn man die Informationen von verschiedenen Plattformen kombiniert und das Ganze mehr als die Summe der Teile wird. So kann man zum Beispiel besondere Konstellationen der beiden Raumsonden zueinander und zur Erde nutzen, um ein und dasselbe Phänomen aus verschiedenen Blickwinkeln zu beobachten. Hier kommen auch bodengebundene Observatorien ins Spiel, etwa das deutsche Sonnenteleskop Gregor auf Teneriffa. Diese Instrumente tragen Informationen zu den Strukturen nahe der Sonnenoberfläche bei, die in dieser Qualität nicht von den vergleichsweise kleinen Teleskopen auf den Raumsonden gewonnen werden können.

Die moderne Untersuchung der Sonne ist also ein Multi-Messenger-Projekt, bei dem unterschiedliche Instrumente am Boden und im Weltraum, vom Röntgenbereich über das sichtbare Licht bis ins Infrarote hinein, mit Messungen von Teilchen und Feldern im Sonnenwind kombiniert werden. So verstehen wir Stück für Stück unsere Sonne und ihren Einfluss auf die Erde, sei es über das Weltraumwetter oder allgemeiner auf das Erdklima über lange Zeiträume. Diese Arbeiten bringen dabei Teams aus den verschiedensten Teilen der Welt zusammen, wo man oft über andere Kulturen genauso viel lernt wie über die Physik der Sonne und ihrer Korona. In der heutigen Zeit ist auch das ein wichtiges Zeichen.


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