Farbe verrät Entfernung einer Galaxie
Schlüssel zum Verständnis der kosmischen Entwicklung.
Das Universum ist vor 13,8 Milliarden Jahren entstanden und seither sind aus kleinsten Ungleichheiten am Anfang große Strukturen gewachsen: Galaxien, Galaxienhaufen und noch größere Ansammlungen von Materie oder dünne Strukturen aus Gas und Staub. Wie schnell dieses Wachstum vonstattengeht, hängt zumindest im heutigen Universum davon ab, was hat die dunkle Materie, die durch ihre Gravitation alles zusammenhält und noch mehr Materie anzieht, der dunklen Energie, die das Universum auseinandertreibt, entgegenzuhalten hat. Diese Entwicklung können Astronomen beobachten, wenn sie die Strukturen am Himmel genau vermessen. Dazu dienen teleskopische Beobachtungsprojekte, die große Teile des Himmels sehr genau in Bilder fassen, zum Beispiel der Dark Energy Survey mit dem Blanco-Teleskop in Chile und der kürzlich in Betrieb genommene Euclid-Satellit.
Die Entfernungen der einzelnen Strukturen und Galaxien exakt zu bestimmen, ist dabei nicht immer einfach, aber besonders wichtig. Denn je größer der Abstand, desto länger war das Licht einer Galaxie zu uns unterwegs und desto älter ist also die Momentaufnahme des Universums, die wir uns aus ihrer Beobachtung machen können. Eine wichtige Quelle dafür ist etwa die beobachtete Farbe einer Galaxie, die von erdgebundenen Teleskopen wie dem Blanco-Teleskop oder Satelliten wie Euclid gemessen wird. Eine Studie eines Teams um Jamie McCullough und Daniel Grün von der Uni München liefert jetzt mit dem bisher größten Datensatz Aufschluss darüber, was die Farbe verschiedener Galaxien tatsächlich über ihren wahren Abstand aussagt.
Prinzipiell lässt sich der Abstand einer Galaxie mithilfe von Spektroskopie genau bestimmen. Dabei vermisst man die Spektrallinien von entfernten Galaxien. Diese scheinen, da das Universum sich insgesamt ausdehnt, eine umso größere Wellenlänge zu haben, je weiter eine Galaxie von uns entfernt ist. Denn das Licht ferner Galaxien erfährt auf dem langen Weg zu unserer Galaxie ebenfalls eine Ausdehnung der Wellenlänge. Dieser Effekt, Rotverschiebung genannt, verändert auch die scheinbaren Farben, die die Instrumente im Bild der Galaxie messen. Sie wirken röter, als sie sind.
McCullough und ihre Kollegen verwendete für ihre Analyse spektroskopische Messungen des Dark Energy Spectroscopic Instrument DESI und verknüpfte sie mit dem bisher größten Datensatz zur genauen Messung von Galaxien-Farben KiDS-VIKING. Konkret kombinierte das Team spektroskopische Daten von DESI von insgesamt 230.000 Galaxien mit deren Farben in der KiDS-VIKING-Durchmusterung und bestimmten daraus jeweils die Beziehung zwischen der Entfernung einer Galaxie und ihrer beobachteten Farbe und Helligkeit.
Keine zwei Galaxien im Universum sind gleich, aber für jede Klasse ähnlicher Galaxien gibt es eine spezielle Beziehung zwischen beobachteter Farbe und Rotverschiebung. „Wenn wir Entfernungsinformationen mit Messungen der Form von Galaxien kombinieren können, können wir aus den Lichtverzerrungen großräumige Strukturen herauslesen“, sagt McCullough. Die Ergebnisse der Studie ermöglichen es, aus den Aufnahmen von Euclid oder dem Dark Energy Survey für jede in Bildern beobachtete Galaxie den wahren Abstand statistisch zu bestimmen.
So besteht dann die Möglichkeit, aus den beobachteten Verzerrungen der Galaxienbilder selbst etwas über das Verhalten kosmischer Strukturen heute und vor Milliarden von Jahren zu lernen und diese besser zu verstehen. Das gibt einen Einblick in die Entwicklungsgeschichte des Universums. Um den Verlauf der Strukturbildung mit der Zeit beobachten zu können, muss man nicht Milliarden Jahre warten, sondern nur die Struktur in verschiedenen Abständen von der Erde vermessen. Mit Bildern allein ist das aber fast unmöglich, denn der Abstand einer Galaxie von uns ist nicht ohne Weiteres aus ihrer Erscheinung in einem Bild abzulesen. Die neue Studie von enthält den Schlüssel hierzu: Sie liefert ein Modell dafür, was die scheinbare Farbe einer Galaxie über ihren Abstand von uns aussagt.
Das große Ziel ist, aus dieser genauen Verteilung und Beobachtung unterschiedlich weit entfernter Galaxien etwas über das Kräfteverhältnis zwischen dunkler Materie und dunkler Energie auszusagen. So wollen die Forscher verstehen, was dunkle Materie und dunkle Energie eigentlich sind. Im heutigen Kosmos ist die dunkle Energie im Begriff aufzuholen und die Bildung größerer Massenansammlungen im Universum womöglich ganz aufzuhalten. Doch noch ist unklar, welche der beiden Kräfte am Ende dominiert.
LMU / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
J. McCullough et al.: DESI complete calibration of the colour–redshift relation (DC3R2): results from early DESI data, Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 531, 2582 (2024); DOI: 10.1093/mnras/stae1316 - Astronomie und Astrophysik, Kosmologie, Ludwig-Maximilians-Universität München
- DESI – Dark Energy Spectroscopic Instrument