08.10.2024

Erster photonischer Quantencomputer in Deutschland

Wissenschaftler realisieren Europas größte Gaußsche-Boson-Sampling-Maschine.

Auch wenn Quantencomputer seit einigen Jahren Gegenstand intensiver Forschung sind, ist es bisher nicht gelungen, ausreichend robuste Systeme zu realisieren. An der Uni Paderborn haben es Wissenschaftler jetzt geschafft, Europas größten samplingbasierten Quantencomputer zu bauen. Der „Paderborn Quantum Sampler“ PaQS ist im Rahmen der PhoQuant-Förderinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von Forschenden der Uni Paderborn gemeinsam mit den Partnern Menlo Systems, Fraunhofer-IOF und Swabian Instruments aufgebaut worden. Das Projekt wird vom deutschen Quantentechnologieunternehmen Q.ANT koordiniert und in Kürze einen zweiten Sampling-basierten Quantencomputer mit Cloud Access am Standort des IOF in Jena in Betrieb nehmen. Das mit etwa 50 Millionen Euro geförderte Projekt vereint die Expertise von dreizehn Partnern aus Wissenschaft und Industrie, um Deutschland an die internationale Spitze des photonischen Quantencomputings zu bringen.

Abb.: Blick auf den Versuchsaufbau, wo das gequetschte Licht erzeugt wird. Das...
Abb.: Blick auf den Versuchsaufbau, wo das gequetschte Licht erzeugt wird. Das Foto zeigt nur einige der optischen Elemente, die für den Aufbau des gesamten Systems erforderlich sind.
Quelle: M. Ratz, U. Paderborn

„Quantencomputer sind äußerst empfindlich gegenüber Systemunvollkommenheiten. Deshalb arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit an verschiedenen experimentellen Plattformen“, erklärt Christine Silberhorn von der Uni Paderborn. „Die aktuell größten photonischen Quantencomputer stehen derzeit in China, Singapur, Frankreich und Kanada. Jeder technologische Ansatz im Quantencomputing hat seine Vor- und Nachteile. Zum Beispiel können photonische Netzwerke, also solche, die auf Licht basieren und mit kleinen Lichtteilchen, den Photonen, arbeiten, bei Raumtemperatur betrieben und in miniaturisierten, programmierbaren Schaltungen implementiert werden. Aber sie haben mit optischen Verlusten zu kämpfen. Diesem Problem stellen wir uns, indem wir auf die weltführende Expertise Deutschlands in der integrierten Photonik zurückgreifen. Uns ist es gelungen, einen sogenannten Gaußschen Boson Sampler zu realisieren, der aus skalierbaren Bauelementen besteht. Dafür mussten viele Komponenten erst neu entwickelt werden. Das ist ein aufwändiger Prozess, der anschaulich die Größe und Komplexität des Unterfangens zeigt.“

Die Wissenschaftler haben mit PaQS Europas größte Gaußsche-Boson-Sampling-Maschine realisiert. Dabei wird – vereinfacht ausgedrückt – gemessen, aus welchen Ausgängen eines photonischen Netzwerkes die Photonen kommen. „Das Gaußsche-Bosonen-Sampling ist ein Modell des photonischen Quantencomputers, das als Plattform für den Bau von Quantengeräten Aufmerksamkeit erlangt hat“, so Silberhorn. Im Gegensatz zu früheren Implementierungen hat das Team PaQS mit einem vorausschauenden Blick in Richtung Systemintegration und vollständiger Programmierbarkeit gebaut.

„Das bedeutet ganz konkret, dass wir ein voll programmierbares und integriertes Interferometer verwenden, mit dem wir jede gewünschte Konfiguration umsetzen können. Bei diesem Ansatz werden Lichtteilchen in einem Netzwerk von Lichtwellenleitern verteilt und gelenkt. Am Ausgang des Netzwerks misst man, wo die Photonen aus dem Netzwerk herauskommen. Relevant könnte das zum Beispiel für die Lösung von Proteinfaltungsproblemen oder die Berechnung molekularer Zustände im Rahmen der Medikamentenforschung sein“, hält Silberhorn fest. Die vollständige Programmierbarkeit bedeute außerdem, dass selbst solche Anwendungen implementiert werden können, die sich aus zukünftigen Untersuchungen ergeben – womit eine nie dagewesene Flexibilität und ein hoher Grad an Anwendbarkeit einhergehen. Aktuell wird das System erweitert, um komplexere Berechnungen zu ermöglichen und als Grundlage für Untersuchungen zu zukünftigen Geräten zu dienen, die die Systemintegration weiter erhöhen.

Die Implementierung eines solchen Systems erfordert ein tiefes Verständnis aller beteiligten Bausteine. Quantenmechanische Phänomene wie das Quetschen und die Überlagerung oder Verschränkung von Photonen sorgen für die unglaublich hohe Rechenleistung von Quantencomputern. Am Anfang steht dabei immer die Erzeugung einer bestimmten Quantenressource. „Bei dem Gaußschen-Bosonen-Sampling ist diese Ressource als Squeezing oder gequetschtes Licht bekannt, dessen quantenmechanische Eigenschaften manipuliert und damit nutzbar gemacht wurden“, so Silberhorn.

Photonische Quantencomputer nutzen Licht zur Durchführung von Quantenberechnungen, während andere Ansätze für Quantencomputing zum Beispiel auf supraleitenden Qubits oder gefangenen Ionen basieren. Vorteile von photonischen Quantencomputern sind ein klarer Weg hin zur Skalierbarkeit und hohe Taktraten. Doch noch steckt der gesamte Bereich der Quantencomputer-Technologien in den Kinderschuhen. Um jedoch die Vorteile und Herausforderungen der verschiedenen derzeit untersuchten Quantencomputer-Plattformen herauszuarbeiten, bedarf es der weiteren vertieften Forschung.

U. Paderborn / RK

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