Elektronik auf dem Holzweg
Computerplatinen aus Cellulosefasern – auf dem Weg zu bioabbaubarer Elektronik.
Seit vielen Jahren forscht Thomas Geiger auf dem Gebiet der Cellulosefibrillen – das sind feine Fasern, die sich etwa aus Holzabschnitten oder landwirtschaftlichen Abfällen herstellen lassen. Cellulosefasern bergen ein hohes Potenzial für eine nachhaltige Produktion und eine Dekarbonisierung der Industrie: Sie wachsen CO2-neutral in der Natur, verbrennen ohne Rückstände und sind sogar kompostierbar. Sie lassen sich für vielerlei Zwecke einsetzen, etwa als Faserverstärkung in technischen Gummiwaren wie Pumpenmembranen.
Doch kann man aus Cellulosefasern vielleicht auch Leiterplatten herstellen, die den ökologischen Fußabdruck von Computern verringern? Gerade Leiterplatten, auch Platinen oder PCBs genannt sind ökologisch alles andere als unschuldig: Sie bestehen meist aus Glasfasern, die in Expoxidharz getränkt sind. Ein solcher Verbundwerkstoff ist nicht recyclingfähig und kann bislang nur in speziellen Pyrolyseanlagen sachgerecht entsorgt werden.
Geiger hatte bereits Computerplatinen aus Cellulosefasern hergestellt und deren biologischen Abbau untersucht. Die Bio-Fasern ergeben mit Wasser vermischt einen dickflüssigen Schlamm, der sich in einer Spezialpresse entwässern und verdichten lässt. Gemeinsam mit einer Kollegin stellte er zwanzig Versuchsplatinen her, die diversen mechanischen Tests unterworfen und schließlich mit elektronischen Komponenten bestückt wurden. Der Versuch gelang, und die Celluloseplatine gab nach wenigen Wochen in der Natur die aufgelöteten Bauteile wieder frei.
Zuvor war Geiger bereits an einem beteiligt, aus dem Gehäuseteile für Computermäuse entstanden. Die hergestellten Gehäuseteile glänzen seidig und ähneln in Farbe und Haptik Werkstücken aus Elfenbein. Doch es fand sich kein Hersteller, der die Methode übernehmen wollte. Der Preiswettbewerb bei Kleinelektronik ist dafür noch zu groß – und die herkömmlichen Kunststoff-Spritzgussverfahren sind deutlich im Vorteil.
Vor kurzem ergab sich dann die Chance, auf den bestehenden Erkenntnissen aufzubauen: Die Empa-Nachhaltigkeitsspezialistin Claudia Som wurde angefragt, ob sie am EU-Forschungsprojekt Hypelignum mitarbeiten wolle. Dieses wird vom schwedischen Materialforschungsinstitut RISE geleitet und sucht nach neuen Wegen für nachhaltig produzierte Elektronik. Som zog ihren Kollegen Geiger hinzu.
Das Projekt startete im Oktober 2022. Das Forscherkonsortium, mit Beteiligung aus Österreich, Slowenien, Spanien, den Niederlanden, Schweden und der Schweiz, plant, Öko-Leiterplatten aus verschiedenen Materialien herzustellen und zu evaluieren: Neben nanofibrillierter Zellulose wird als Basis Holzwolle und Zellstoff aus Pappelholz untersucht; auch Holzfurnier kommt als Basis für die Platinen zum Einsatz.
Zwei Forschungsabteilungen der Empa arbeiten am Projekt mit: Zum einen die Nachhaltigkeitsspezialisten um Som von der Abteilung „Technologie und Gesellschaft“. Som wird mit Hilfe von Material-Datenbanken den ökologischen Fußabdruck der Öko-Leiterplatten berechnen und die einzelnen Konzepte untereinander vergleichen.
Geiger von der Abteilung „Cellulose & Wood Materials“ wird aus nachwachsenden Rohstoffen die Leiterplatten herstellen. Grüne Elektronik ist schon seit längerem ein Forschungsschwerpunkt der Abteilung, die von Gustav Nyström geleitet wird. Das Team hat bereits diverse gedruckte Elektronikkomponenten aus bioabbaubaren Materialien entwickelt, etwa Batterien und Displays. Die Anforderungen an industriell hergestellte Computerplatinen sind indes nicht trivial: Die Platinen müssen nicht nur eine hohe mechanische Festigkeit aufweisen, sondern dürfen auch in feuchten Bedingungen nicht aufquellen oder bei sehr niedriger Luftfeuchtigkeit Risse bilden.
„Cellulosefasern können eine sehr gute Alternative zu Glasfaser-Verbundwerkstoffen sein“, erläutert Geiger. „Wir entwässern das Material in einer Spezialpresse mit 150 Tonnen Druck. Dann kleben die Cellulosefasern ohne weitere Hilfsstoffe von allein zusammen.“ Das Entscheidende dabei ist, bei welchem Druck, welcher Temperatur und für wie lange der Pressprozess stattfinden muss, um optimale Ergebnisse zu erzeugen.
Das EU-Projekt Hypelignum hat weitgesteckte Ziele: Es soll nicht nur Leiterplatten aus nachwachsenden und kompostierbaren Rohstoffen untersuchen, sondern auch leitfähige Tinten für die elektrischen Verbindungen zwischen den Bauteilen entwickeln. Diese Tinten werden oft basierend auf Silber-Nanopartikeln hergestellt. Die Forscher suchen nach preisgünstigeren und weniger raren Ersatzmaterialien, ebenso wie nach einer ökologischen Produktionsmethode für diese Nanopartikel.
Am Ende des Projekts sollen vier Demonstratoren die erreichten Forschungsergebnisse sichtbar machen: eine ökologisch vorbildliche Leiterplatte, ein großes Konstruktionselement aus Holz, das mit Sensoren und Aktuatoren bestückt wird, Möbelstücke, die in einer automatisierten Fertigungsstraße mit Sensoren bestückt werden und schließlich ein Demonstrator, der die Recyclingfähigkeit all dieser Bauteile beweist.
Empa / RK
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