23.09.2021 • Beschleuniger

Elektronenpulse kontrolliert durch Nanostrukturkanal geführt

Großen Schritt vorwärts für die dielektrische Laserbeschleunigung.

Teilchenbeschleuniger sind unverzicht­bare Werkzeuge in Forschungs­bereichen wie Biologie, Material­wissen­schaft und Teilchen­physik. Wissen­schaftler sind ständig auf der Suche nach leistungs­fähigeren Verfahren, um Teilchen zu beschleunigen, um bestehende Anlagen zu verbessern – und so die Kapazität für Versuche zu erhöhen. Eine solche leistungs­fähigere Technologie ist die dielek­trische Laser­beschleu­nigung. Dabei werden Teilchen im optischen Nahfeld beschleunigt, das entsteht, wenn ultra­kurze Laser­pulse auf ein photo­nisches Gitter fokussiert werden. Wissen­schaftlern der Uni Erlangen-Nürnberg ist es gelungen, mit dieser Methode einen entschei­denden Baustein eines jeden Teilchen­beschleunigers zu demon­strieren: die Führung der Elektronen im Vakuum­kanal.

Abb.: Bei der di­elek­tri­schen Laser­be­schleu­ni­gung wer­den...
Abb.: Bei der di­elek­tri­schen Laser­be­schleu­ni­gung wer­den Teil­chen im op­ti­schen Nah­feld be­schleu­nigt, das ent­steht, wenn ultra­kurze Laser­pulse auf ein pho­to­ni­sches Gitter fo­kus­siert werden. (Bild: M. Schlosser, FAU)

Da geladene Teilchen dazu neigen, sich bei ihrer Ausbreitung immer weiter von­ein­ander zu entfernen, stehen alle Beschleuniger­techno­logien vor der Heraus­forderung, die Teilchen – sowohl räumlich als auch zeitlich – in den gewünschten Grenzen zu halten. Das führt zu Anlagen, die bis zu zehn Kilometer lang sein können – und Jahre in der Vorbereitung und Konstruktion benötigen sowie große finan­zielle Investi­tionen beinhalten. Die dielek­trische Laser­beschleu­nigung macht sich die ultra­schnelle Laser­techno­logie und die Fort­schritte in der Halb­leiter­fertigung zunutze, um diese Beschleuniger potenziell auf einige Millimeter oder Zentimeter zu minia­tu­ri­sieren.

Ein vielversprechender Ansatz: In Experi­menten konnte bereits gezeigt werden, dass die dielek­trische Laser­beschleu­nigung den Stand der Technik um mindestens das 35-Fache übertrifft. Das bedeutet, dass die Länge eines poten­ziellen Beschleunigers um den gleichen Faktor geschrumpft werden kann. Bis jetzt war es jedoch unklar, ob diese Zahlen auf immer längere Strukturen skaliert werden können.

Jetzt hat ein Team um Peter Hommelhoff von der Uni Erlangen-Nürnberg in Zusammen­arbeit mit Kollegen von der TU Darmstadt einen großen Schritt gemacht, um die dielek­trische Laser­beschleu­nigung für den Einsatz in voll­wertigen Beschleuniger­anwendungen zu adaptieren. In ihrer Arbeit demon­strieren sie zum ersten Mal ein Schema, um Elektronen­pulse über lange Strecken zu führen.

Dieses „Alternating Phase Focusing“ genannte Schema ist eine Methode aus den frühen Tagen der Beschleuniger­theorie. Die Fokus­sierung geladener Teilchen in allen drei Dimen­sionen gleich­zeitig – Breite, Höhe und Tiefe – ist durch ein funda­men­tales Gesetz der Physik unmöglich. Das kann jedoch umgangen werden, indem die Elektronen abwechselnd in verschiedenen Dimen­sionen fokus­siert werden. Indem die Elektronen mit dem Laser­strahl zunächst quer fokus­siert werden, dann durch einen kurzen Drift-Abschnitt gleiten, in dem keine Kräfte auf sie einwirken, und letztlich längs beschleunigt werden, lassen sie sich ziel­gerichtet lenken.

Im Experiment haben die Wissen­schaftler diesen Aufbau durch den Einbau einer Kolonnade aus ovalen Säulen mit kurzen Lücken in regel­mäßigen Abständen realisiert, die verschiedene Makro­zellen ergeben. Jede Makro­zelle wirkt auf die Teilchen entweder fokus­sierend oder defokus­sierend, abhängig von der Verzögerung zwischen dem antreibenden Laser, dem Elektron und dem Spalt, der die Drift­strecke bildet. Die Beherr­schung dieses Aufbaus ermöglicht die präzise Phasen­raum­steuerung des Elektronen­pulses auf der optischen beziehungs­weise Femto­sekunden-Ultra­zeit­skala.

Im Experiment wird die erfolgreiche Führung als Anstieg des Strahl­stroms durch die Struktur sichtbar, wenn sie mit dem Laser beleuchtet wird. Wenn kein Laser mit der Struktur inter­agiert, werden die Elektronen nicht geführt und stürzen allmählich in die Kanalwände. „Das ist sehr spannend", sagt Team-Mitglied Johannes Illmer. „Zum Vergleich: Der Large Hadron Collider am CERN verwendet 23 solcher Zellen in einem 2450 Meter langen Bogen. Unsere Nano­struktur umfasst fünf solcher Zellen und das alles in nur 80 Mikro­meter."

Die Arbeit auf diesem Gebiet wird von der inter­natio­nalen „Accelerator on a chip"-Kollabo­ration voran­getrieben, zu der das Team gehört. In theore­tischen Arbeiten hat die Kollabo­ration bereits gezeigt, dass „Alter­nating Phase Focusing“ angepasst werden kann, um eine Beschleunigung von Elektronen­strahlen zu erreichen. Komplexere, drei­dimen­sionale „Alternating Phase Focusing“-Schemata könnten daher die Grundlage für die zukünftige Teilchen­beschleu­niger­techno­logie bilden.

FAU / RK

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