Düstere DFG-Geschichte
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist dabei, ihre Einbindung und die Verstrickung von Wissenschaftlern in die Nazi-Diktatur aufzarbeiten.
Bonn (dpa) - Der «Generalplan Ost» des Berliner Agrarwissenschaftlers Konrad Meyer von 1942 ist ein entlarvendes Dokument. Die darin beschriebene «Germanisierung» des Ostens kennzeichnet zugleich die verbrecherischen Machenschaften des Nazi- Regimes sowie eine Mittäterschaft von skrupellosen Wissenschaftlern. Innerhalb von 25 Jahren sollten fast fünf Millionen Deutsche im annektierten Polen und im Westteil der Sowjetunion angesiedelt werden. Millionen slawischer und jüdischer Bewohner sollten versklavt, vertrieben und ermordet werden. Finanziert wurde diese Forschung damals in beträchtlichem Umfang von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Auch der Lagerarzt von Auschwitz, Josef Mengele, arbeitete 1944 an einem von der DFG geförderten Projekt mit.
Nachdem sie ihre Rolle lange Zeit eher in den Hintergrund stellte, ist die DFG - heute in Deutschland die zentrale Förderorganisation für Forschung - inzwischen dabei, das düsterste Kapitel ihrer Vergangenheit aufzuarbeiten: ihre Einbindung und die Verstrickung von Wissenschaftlern in die Nazi-Diktatur und die nationalsozialistische Eroberungs- und Vernichtungspolitik.
Teil dieser späten Bemühungen um Klärungen ist die Ausstellung «Wissenschaft, Planung, Vertreibung - Der Generalplan Ost der Nationalsozialisten», die am Donnerstag im Bonner Wissenschaftszentrum (bis 27. Oktober) eröffnet wurde. Am Beispiel des «Generalplans Ost» wird deutlich, wie Forschung, Planung und Politik im Dritten Reich und konkret die Pläne zur völkischen Neuordnung Europas auf der Zuarbeit wissenschaftlicher Experten basierten. Auch ein Mahnmal erinnert jetzt vor dem Bonner DFG-Haus an die NS-Zeit. Zu sehen ist dort auf einer Stele auch das Schreiben aus den DFG-Akten über die Mitarbeit von Mengele.
Die DFG habe offenbar wenig Schwierigkeiten gehabt, sich an das NS-Regime anzupassen, sagte Präsident Prof. Ernst-Ludwig Winnacker. Sie sei dabei weniger von den Machthabern «missbraucht» worden, sondern habe sich ihnen vielmehr selbst «dienstbar» gemacht. Bis heute sei aber eine zentrale Fragen nicht hinreichend beantwortet: «Wie konnten so sicher geglaubte kulturelle Fundamente und eine historisch gewachsene Werteordnung in so kurzer Zeit so radikal versagen, in der Wirtschaft wie in der Wissenschaft?» Aufschlüsse soll eine Forschungsgruppe zur DFG-Geschichte geben.
«Bei den Wissenschaftlern hat es damals ein überwältigendes Maß zur Bereitschaft zur Kooperation gegeben», sagte der Leiter der Forschungsgruppe, der Historiker Prof. Ulrich Herbert (Freiburg). Es habe eine «national motivierte Grundstimmung» vorgeherrscht, die viele Wissenschaftler auch zur Zusammenarbeit in «heiklen Bereichen» wie etwa bei Deportationen oder der Euthanasie veranlasst habe. «In vielen Fällen waren Wissenschaftler auch Mittäter.»
Wer nicht mitzog, hatte als Wissenschaftler keine Chance im Dritten Reich - ebenso wenig wie etwa 30 Prozent der Professoren und Wissenschaftler, die zwischen 1933 und 1938 vorzeitig die Hochschulen verlassen mussten, weil sie Juden oder politisch unliebsam waren. «Auch dabei hat die DFG insofern eine Rolle gespielt, dass sie sich nicht etwa gegen den Ausschluss jüdischer Wissenschaftler gewehrt hat«, sagte Herbert.
Wie in Wirtschaft und Verwaltung rückten schon bald nach dem Krieg auch in der Wissenschaft alte Nazis wieder auf wichtige Posten. «Viele Wissenschaftler haben relativ bruchlos ihre Karrieren und Aktivitäten fortgesetzt», berichtete die Historikerin Isabel Heinemann. Allmählich hätten sie auch ihre Konzepte und Sprachstile der neuen Ordnung angepasst - «aus der Volksgemeinschaft wurde dann langsam die Gesellschaft».
Der Umsiedlungsexperte und SS-Funktionär Konrad Meyer musste sich 1947/48 in einem der Nürnberger Kriegsverbrechertribunale verantworten. Ihm gelang es, die amerikanische Richter von der vermeintlichen Harmlosigkeit der Umsiedlungspläne als unpolitischer Grundlagenforschung zu überzeugen. Als freier Mann wurde Meyer später Professor für Landesplanung an der TH Hannover und vorübergehend auch wieder mit DFG-Mitteln gefördert.
Edgar Bauer, dpa
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Deutsche Forschungsgemeinschaft - DFG:
http://www.dfg.de