Die Sonne im Blick
Erste Daten der Raumsonde Solar Orbiter veröffentlicht.
Viel zu tun hatten Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel seit dem Start der ESA-Weltraummission Solar Orbiter im Februar: Trotz der durch die Corona-Pandemie bedingten Widrigkeiten mussten sie ihre Instrumente an Bord der Raumsonde in Betrieb nehmen und erste Daten analysieren. Das Besondere: Die Messungen stehen der gesamten wissenschaftlichen Community online zur Verfügung.
„Wir sind jetzt soweit, dass wir unsere ersten Daten am Datenzentrum der Europäischen Weltraumorganisation ESA online gestellt haben“, erklärt Robert Wimmer-Schweingruber, der die Arbeit an der Uni Kiel leitet. „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der ganzen Welt können diese neuen und einzigartigen Daten nun analysieren und neue Erkenntnisse gewinnen. So kann die solare Korona Elektronen und Ionen mit großer Energie beschleunigen, zum Teil fast auf Lichtgeschwindigkeit.“
Dass die Daten bereits sieben Monate nach dem Start der Raumsonde und drei Monate nach der Kalibrierungsphase veröffentlicht werden, sei außergewöhnlich. Denn nicht nur der Zeitraum der Testphase, während der die Instrumente unter Weltraumbedingungen im Realbetrieb erprobt werden, war sehr kurz. Die Instrumententeams haben jetzt nur noch neunzig Tage Zeit, um die Rohdaten zu kalibrieren und in eine Form zu bringen, die externe Wissenschaftler verarbeiten können.
„Diese Frist wäre selbst in normalen Zeiten eine Herausforderung gewesen, mit der Corona-Pandemie waren die Teams ganz besonders gefordert“, sagt Wimmer-Schweingruber. So fliegt Solar Orbiter beispielsweise auf einer stark elliptischen Bahn um die Sonne und wird mehrere Swing-by-Manöver nutzen, um bis auf 0,28 Astronomische Einheiten an die Sonne heranzukommen. Im entferntesten Punkt von der Sonne wird die Sonde fast eine Astronomische Einheit von ihr entfernt sein.
Die variablen Bedingungen stellen besondere Anforderungen an die Instrumente und deren Einstellungen, die sorgfältig optimiert werden mussten. „Das während Covid-19-Zeiten zu erreichen war eine riesige Herausforderung“, sagt Yannis Zouganelis, stellvertretender Projektwissenschaftler der ESA. „Aber wir sind jetzt soweit, dass wir die Daten wie geplant an die wissenschaftliche Community übergeben können, damit diese daran wissenschaftliche Untersuchungen vornehmen kann.“ Das enge Zusammenspiel zwischen Wissenschaftlern, Ingenieuren, Operateuren der Raumsonde und der Verfügbarkeit der großen Radioantennen musste trotz der neuen Arbeitsbedingungen einwandfrei und auf Anhieb funktionieren, „denn die Raumsonde war ja unterwegs und konnte nicht mehr aufgehalten werden“, so Wimmer-Schweingruber. „Unser Ziel war es immer, die Daten möglichst schnell zu veröffentlichen, damit die Forschungsgruppen auf der ganzen Welt an möglichst aktuellen Daten arbeiten kann.“
Bei den meisten Weltraummissionen werden die Daten gewöhnlich erst ein halbes oder gar ein ganzes Jahr nach Erhalt auf der Erde veröffentlicht, um den Teams, die die Instrumente gebaut haben, eine exklusive Frist für die Analyse einzuräumen. Bei Solar Orbiter waren sich die Forscher einig, dass dies sehr viel schneller gehen muss. „Wir wollen, dass Solar Orbiter eine der offensten Weltraummissionen wird. Das heißt offen für die ganze Welt, nicht nur für die Instrumententeams“, sagt Zouganelis. In ersten virtuellen Workshops, in denen die neuen Daten vorgestellt wurden, nahmen etwa zehnmal mehr Interessenten teil als in den Instrumententeams arbeiten. „Je mehr Leute unsere Daten verwenden, desto mehr erhöht sich die wissenschaftliche Ausbeute von Solar Orbiter,“ sagt Wimmer-Schweingruber.
Am 30. September wurden zudem alle Beschreibungen der zehn Instrumente auf Solar Orbiter und der Raumsonde und des Missionskonzepts im Fachjournal „Astronomy & Astrophysics“ veröffentlicht. „Diese Informationen sind unverzichtbar, um eine verlässliche Analyse der Daten zu gewährleisten. Auch in zehn Jahren, wenn die Ingenieurinnen und Ingenieure, die die Instrumente gebaut haben, schon längst wieder an anderen Projekten arbeiten“, so Wimmer-Schweingruber.
CAU / RK
Weitere Infos
- Sonderausgabe Astronomy & Astrophysics: The Solar Orbiter Mission
- Solar Orbiter Archive, European Space Agency
- Sektion Physik, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel