Der empfindlichste Detektor zur Messung von Radioaktivität
Neben der Messung von Proben kann die Anlage auch für die physikalische und astrophysikalische Grundlagenforschung genutzt werden.
Der empfindlichste Detektor zur Messung von Radioaktivität in Deutschland steht jetzt in Dresden. Nach langer Entwicklungsarbeit haben Forscher der TU Dresden und des HZDR den Aufbau im Untertagelabor „Felsenkeller“ Dresden in Betrieb genommen. Sie können damit fortan Proben von Stoffen und Materialien mit einer Radioaktivität im Bereich von hundert Mikrobequerel analysieren. Damit gehört der Messaufbau im Felsenkellerlabor zu der Weltspitze der sensitivsten Messgeräte für Radioaktivität.
„Wenn man seltene Prozesse und geringe Aktivitäten in der Physik untersuchen möchte, dann braucht man prinzipiell zwei Dinge: einerseits viel Geduld – denn die Prozesse finden ja nur selten statt – und andererseits eine Umgebung, die möglichst strahlungsarm ist, damit der Detektor nicht permanent von natürlichen Strahlungsquellen, wie sie beispielsweise in jedem Baumaterial vorhanden sind, gestört wird“, erklärt Steffen Turkat von der TU Dresden.
So schützt die 45 Meter dicke Felsschicht im Stollen des ehemaligen Eislagers der Dresdner Felsenkeller-Brauerei den Detektor zwar vor einem Großteil der kosmischen Strahlung, jedoch nicht vor der natürlichen Radioaktivität aus der Umgebung. Daher mussten die Forscher den Detektor zusätzlich mit einer ausgetüftelten Anordnung aus strahlungsarmen Betonwänden, großen Mengen an Blei und Kupfer sowie Veto-Detektoren schützen. Nur so kann dieser hochempfindliche Aufbau funktionieren und Kernumwandlungen aus den wertvollen Proben auswerten.
„Ich freue mich besonders über die Vielzahl an ungeplanten Anfragen von interessierten Kollegen weltweit, die den Detektor nun gerne nutzen würden. Bei diesen Anfragen geht es dann schnell mal um extrem wertvolle und seltene Proben, die wissenschaftlich äußerst spannend sind, die aber mit anderen Detektoren nicht analysiert werden können. So ein Detektor erzeugt somit automatisch neue Kollaborationen und Vernetzungen zu anderen faszinierenden Fachgebieten“, erläutert Turkat.
Kai Zuber, wissenschaftlicher Leiter des Felsenkeller-Labors, freut sich insbesondere darauf, seine eigenen anspruchsvollen Forschungsinteressen in der Physik jenseits des Standardmodells jetzt vor der Haustür verfolgen zu können: „Ich interessiere mich vor allem für den doppelten Betazerfall und die Suche nach Prozessen, die die geladene Leptonenzahl verletzen würden. Aber auch für die Verbesserung der Halbwertszeiten von Radionukliden ist der Felsenkeller nun exzellent geeignet.“
Auch Daniel Bemmerer vom HZDR ist begeistert von den neuen Möglichkeiten, die der Detektor bietet: „Wir können nun Aktivierungsmessungen für Kernfusions-Experimente bei Energien durchführen, die den eigentlichen Energien und Temperaturen in unserer Sonne wesentlich näherkommen, als es bisher möglich war. Dadurch wird auch eine neue Nutzungsmöglichkeit für den Felsenkeller-Beschleuniger geschaffen.“ Neben dem neuen Detektor ist in Deutschlands tiefstem Untertage-Physiklabor bereits seit 2019 ein Ionenbeschleuniger zur Untersuchung der wichtigsten Prozesse im Inneren der Sterne in Betrieb.
TU Dresden / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Turkat et al.: A new ultra low-level HPGe activity counting setup in the Felsenkeller shallow-underground laboratory, Astroparticle Phys. 148, 102816 (2023); DOI: 10.1016/j.astropartphys.2023.102816 - Institut für Kern- und Teilchenphysik, Technische Universität Dresden
- Nukleare Astrophysik, Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf