09.08.2021 • Atome und Moleküle

Dem Wunder des Sauerstoffs auf der Spur

Neuartiges Mikroskop verfolgt ersten Schritt der Reaktion eines einzelnen Moleküls mit Sauerstoff in beispielloser Auflösung.

Warum bleicht Kleidung in der Sonne aus? Warum bekommt man Sonnenbrand? Warum kündigt sich der Herbst mit braunen Blättern an? Diese Fragen haben eines gemeinsam: das Wechselspiel zwischen Farbstoff­pigmenten und dem Sauerstoff der Luft. Die chemische Reaktion der Oxidation lernt jeder bereits in der Schule kennen – was also gibt es da noch zu erforschen? Zum Beispiel die Grundlagen für ein mikro­skopisches Verständnis der Oxidations­reaktion, denen Forscher der Uni Regensburg jetzt auf den Grund gehen wollen.

Abb.: Die grafische Darstellung zeigt die Wechsel­wirkung zwischen dem...
Abb.: Die grafische Darstellung zeigt die Wechsel­wirkung zwischen dem Triplett-Zustand (blaue Pfeile) eines Pentacen-Moleküls (schwarz-weiß) und einem Sauer­stoff­molekül (rot; Bild: J. Repp, U. Regens­burg)

Sauerstoff ist ein erstaunliches Molekül: Es ist magnetisch. Farbstoff­moleküle hingegen sind nicht magnetisch. Fällt Licht auf ein solches Molekül, so wird es bei einer bestimmten Farbe absorbiert, wodurch der Farbstoff seine charak­te­ris­tische Erscheinung bekommt. Die Energie des Lichts wird dabei auf ein Elektron des Farbstoff­moleküls übertragen. Das Licht versetzt das Molekül dadurch in einen magnetischen Triplett-Zustand.

Das internationale Forschungs­team um Jascha Repp hat jetzt erstmals unter­sucht, wie die Triplett-Energie von einem einzelnen Farbstoff­molekül auf ein einziges Sauerstoff­molekül über­tragen wird. Dieser Prozess ist von zentraler Bedeutung, da viele Oxidations­reaktionen über den angeregten Triplett-Zustand ablaufen. Solange das Molekül sich nämlich in diesem Zustand befindet, steckt die Energie des absorbierten Lichts im Molekül. Chemische Reaktionen werden dadurch begünstigt.

Eine spontane Abregung des Moleküls ist unwahr­schein­lich und dauert daher lange. Alternativ kann die Energie an ein weiteres magnetisches Molekül, den Sauerstoff, über­tragen werden. Durch diese Über­tragung wird das Farbstoff­molekül abgeregt, aber der Sauerstoff wird reaktiv und kann beispiels­weise den Farbstoff ausbleichen.

Dem Team gelang es, den Energie­übertrag von Farbstoff zu Sauerstoff direkt zu verfolgen, ohne den Farbstoff zu zerstören. Dazu wurden einzelne Moleküle bei sehr tiefen Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt auf eine Oberfläche gebracht und mit einem Rasterkraft­mikroskop abgebildet. Durch eine geschickte Abfolge elektrischer Pulse wurde der Farbstoff im Triplett-Zustand präpariert. Die Energie­über­tragung zum Sauerstoff verfolgen die Forscher, indem sie die Kraft zwischen Spitze und Molekül zeitlich messen.

Dieser neue Forschungs­ansatz erlaubt es, solche Messungen für ganz unter­schied­liche geometrische Anordnungen der beiden involvierten Moleküle zu wiederholen und so erstmals den direkten Zusammen­hang zwischen der Zeitdauer des Energie­transfers und der dazu­ge­hörigen atomaren Anordnung herzu­stellen. Die Wissen­schaftler hoffen, so endlich die Grund­lagen für ein mikro­skopisches Verständnis der Oxidations­reaktion zu erreichen. Diese Reaktion spielt auch in zukunfts­relevanten Techno­logien eine zentrale Rolle, so in organischen Leucht­dioden und Solar­zellen, in der photo­katalytischen Energie­konversion und der Photo­synthese sowie in der photo­dynamischen Krebs­therapie.

U. Regensburg / RK

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