25.10.2021 • Teilchenphysik

CONUS engt den Spielraum für neue Physik ein

Auf der Suche nach neuartigen Wechselwirkungen von Neutrinos.

Es gibt eine ganze Reihe von Gründen dafür, dass das Standard­modell der Teilchen­physik nicht voll­ständig ist. Eine sehr interes­sante Option sind hierbei neuartige Wechsel­wirkungen von Neutrinos. Dabei würde es sich um sehr kleine Effekte handeln, die schwer nach­weisbar sind. Das CONUS-Experiment des MPI für Kernphysik sucht am Kern­kraft­werk Brokdorf nach diesen Effekten, und die daran beteiligten Forscher haben nun erste Ergebnisse präsentiert, die für bestimmte theoretische Richtungen die bislang besten Grenzen liefern.

Abb.: Der CONUS-Detektor und seine Lage im Kern­kraft­werk Brokdorf. (Bild:...
Abb.: Der CONUS-Detektor und seine Lage im Kern­kraft­werk Brokdorf. (Bild: MPIK / Preussen Elektra)

CONUS hat im April 2018 den Messbetrieb auf­ge­nommen und nutzt für seine Messungen Anti­neutrinos, die im Reaktor als Neben­produkt entstehen. Der Abstand des experi­men­tellen Aufbaus, der sich im inneren Sicher­heits­bereich der Anlage befindet, zum Reaktor­kern beträgt nur 17 Meter. Dadurch steht ein hoher Fluss von 24 Billionen Neutrinos pro Sekunde und Quadrat­zenti­meter zur Verfügung. Die Kombi­nation von starker Quelle, einer speziellen Abschirmung gegen Stör­strahlung aus der Umgebung und opti­mierten Halbleiter­detektoren aus Germanium macht das Experiment zu einem weltweit führenden Projekt auf diesem Gebiet.

„Das Design der Abschirmung basiert auf der lang­jährigen Erfahrung des MPIK mit hoch­reinen Materialien, deren Radio­aktivität mehrere Größen­ordnungen unterhalb der natür­lichen Umgebungs­strahlung liegt. So konnten wir im inneren Bereich des Reaktors ober­flächen­nah Bedingungen erreichen, für die man üblicher­weise tief unter die Erde muss, wie zum Beispiel in das Gran Sasso Unter­grund­labor“, erläutert Manfred Lindner, Direktor der Abteilung Teilchen- und Astro­teilchen­physik am MPIK.

Für die aktuell präsentierten Ergebnisse verwendeten die Forscher Daten aus Phasen, in denen der Reaktor an- und abgeschaltet war. So lassen sich die gesuchten Prozesse genauer unter­suchen und die Möglich­keiten neu­artiger Physik weiter als bisher einschränken. Eine Material­eigen­schaft des Germaniums, das Quenching, limitiert bisher die Mess­genauig­keit. Die gemessene Ionisations­energie im Halb­leiter­detektor ist für Stöße der Neutrinos an Atom­kernen geringer als von Elektronen gleicher Energie. Diesen Verlust-Effekt muss man in der Analyse und Auswertung der Daten entsprechend berück­sichtigen.

„Deshalb haben wir zum besseren Verständnis der Daten am Reaktor parallel Messungen an der Physikalisch-Technischen Bundes­anstalt in Braunschweig durch­geführt, um den Quenching-Effekt präziser als bisher zu bestimmen“, so Werner Maneschg vom MPIK. Kombiniert mit weiteren Daten­sätzen wird dies der CONUS-Kolla­bo­ration erlauben, die Ergebnisse in Zukunft weiter zu verfeinern und die betreffenden Wechsel­wirkungen noch genauer unter die Lupe zu nehmen.

Die neuartigen Wechsel­wirkungen der Neutrinos lassen sich – ähnlich wie die schwache Kraft im Standard­modell der Teilchen­physik – bei niedrigen Energien als eine spezielle Art von Wechsel­wirkungen beschreiben, Theoretikern als „effektive vier-Fermi-Wechsel­wirkungen“ bekannt. Diese sogenannten NSI-Operatoren kann man weiter nach ihren Eigen­schaften bezüglich der Raum-Zeit klassi­fi­zieren. Die neuen Ergebnisse des CONUS-Experiments liefern nun im Falle einiger dieser Kanäle die weltweit engsten Grenzen für neue Physik. Die erzielten Ausschluss­bereiche für NSI-Operatoren entsprechen Grenzen für eine Kombination aus den Massen und Kopplungs­stärken von theoretisch gut motivierten neuartigen Bosonen. Für andere Kanäle werden bisherige Ergebnisse bestätigt.

Der in diesem Jahr weiter verbesserte CONUS-Messaufbau nimmt derzeit bei einge­schaltetem Reaktor Daten bis zum Jahres­ende. Die 2022 anstehende Abschaltung des Kraftwerks in Brokdorf erlaubt danach eine sehr sorg­fältige Messung des Unter­grunds, sodass mit weiteren wichtigen Ergebnissen des CONUS-Projekts zu rechnen ist.

MPIK / RK

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