BepiColombo: Wendemanöver an der Erde
Merkur-Raumsonde schwenkt im Schwerefeld der Erde zunächst Richtung Venus.
In den frühen Morgenstunden des 10. April fliegt die ESA-Raumsonde BepiColombo mit über dreißig Kilometern pro Sekunde von der Tagseite kommend auf die Erde zu. Sie wird um 6.25 Uhr MESZ über dem Südatlantik in 12.677 Kilometer Höhe den Punkt der größten Annäherung passieren und dadurch auf der Nachtseite weiter in Richtung inneres Sonnensystem fliegen. Für Planetenforscher und Ingenieure eine einmalige Gelegenheit zu einem besonderen Experiment am Erdtrabanten: Ohne Störungen durch die Erdatmosphäre wird die von der Sonne angestrahlte Vorderseite des Mondes mit einem am DLR entwickelten und gebauten Spektrometer am 9. April erstmals in den Wellenlängen des thermalen Infrarot beobachtet und auf ihre mineralogische Zusammensetzung untersucht. Am Merkur soll dieses Instrument später die Zusammensetzung und die Mineralogie der Oberfläche und das Planeteninnere untersuchen.
Das Flyby-Manöver an der Erde dient vor allem dazu, BepiColombo ohne den Einsatz von Treibstoff ein wenig abzubremsen, um die Raumsonde auf einen Kurs zur Venus zu bringen. Während die Sonde auf ihrer spiralförmigen Bahn durch das innere Sonnensystem mit einer Geschwindigkeit von 30,4 Kilometer pro Sekunde auf die Erde zu fliegt, verlässt BepiColombo die Erde nach dem Richtungswechsel mit einer Geschwindigkeit von nur noch etwa 25 Kilometer pro Sekunde. Mit zwei nachfolgenden Nahvorbeiflügen an der Venus wird BepiColombo dann auf einer Flugbahn sein, die zum Ziel der sechsjährigen Reise führt, einer Umlaufbahn um den innersten Planeten des Sonnensystems. Wegen der begrenzten Transportkapazität der Trägerraketen sind Planetenmissionen ins innere und äußere Sonnensystem nur mit solchen komplexen Flugbahnen zu meistern.
„Die Beobachtung des Mondes mit unserem Spektrometer MERTIS an Bord von BepiColombo ist eine einmalige Gelegenheit“, sagt Jörn Helbert vom DLR-Institut für Planetenforschung, mitverantwortlich für das Instrument. „Dies ist zugleich eine hervorragende Gelegenheit zu testen, wie gut unser Instrument funktioniert und Erfahrungen zu sammeln für den Betrieb am Merkur.“ MERTIS ist ein bildgebendes Infrarot-Spektrometer und Radiometer mit zwei ungekühlten Strahlungssensoren, die für Wellenlängen zwischen 7 und 14 beziehungsweise 7 und 40 Mikrometern empfindlich sind. Auf dem Merkur wird MERTIS im mittleren Infrarot die gesteinsbildenden Minerale mit einer räumlichen Auflösung von einem halben Kilometer identifizieren.
„Eine so detaillierte Auflösung werden wir bei der Beobachtung des Mondes nicht erhalten können“, erläutert Gisbert Peter, MERTIS-Projektmanager vom DLR-Institut für optische Sensorsysteme, das für die Konzeption und den Bau von MERTIS verantwortlich war. „Es ist zum Teil ein astronomischer oder geometrischer Zufall und vor allem gute Planung, dass wir am Tag vor dem Vorbeiflug an der Erde den Mond im Gesichtsfeld des Spektrometers haben werden. Und immerhin: MERTIS wird aus Entfernungen zwischen 740.000 und 680.000 Kilometern für vier Stunden den Mond beobachten. Hier wird das mit 3,3 Kilogramm sehr kompakte Instrument das erste Mal im Orbit seine einzigartigen optischen Eigenschaften demonstrieren können.“ Drei kleine Kameras an der Außenseite der ESA-Sonde werden zusätzlich Fotos der Erde bei der Annäherung von BepiColombo aufnehmen.
„Der Mond und der gar nicht mal viel größere Planet Merkur haben Oberflächen, die in vielerlei Hinsicht ähnlich sind“, erklärt Harald Hiesinger von der Uni Münster, wissenschaftlicher Leiter des MERTIS-Experiments. Er freut sich nach Jahrzehnten der Mondforschung ganz besonders auf die jetzt anstehenden Messungen. „Wir bekommen zum einen neue Informationen zu gesteinsbildenden Mineralen und den Temperaturen auf der Mondoberfläche und können die Ergebnisse später mit denen am Merkur vergleichen.“ Sowohl der Mond als auch der Merkur sind zwei fundamental wichtige Körper für unser Verständnis des gesamten Sonnensystems.
BepiColombo ist am 20. Oktober 2018 an Bord einer Ariane-5-Trägerrakete vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou gestartet. Es ist das bisher umfangreichste europäische Projekt zur Erforschung eines Planeten des Sonnensystems. Die Mission besteht aus zwei Sonden, die den Merkur auf unterschiedlichen Umlaufbahnen umkreisen werden: dem europäischen Mercury Planetary Orbiter MPO der ESA und dem japanischen Mercury Magnetospheric Orbiter MMO. Zuvor hatten nur die beiden NASA-Raumsonden Mariner 10 Mitte der 1970er Jahre und MESSENGER von 2011 bis 2015 den kleinsten und gleichzeitig sonnennächsten Planeten untersucht.
Während MPO darauf ausgelegt ist, Oberfläche und Zusammensetzung des Planeten zu analysieren, erkundet MMO dessen Magnetosphäre. Weitere Ziele der Mission sind die Erforschung des Sonnenwindes, des inneren Aufbaus und des planetaren Umfeldes von Merkur sowie dessen Wechselwirkungen mit der sonnennahen Umgebung. Die Wissenschaftler erhoffen sich darüber hinaus Erkenntnisse zur Entstehung des gesamten Sonnensystems und der erdähnlichen Planeten im Besonderen. Bis zum Erreichen der Merkurumlaufbahn befinden sich die beiden Sonden an Bord des Mercury Composite Spacecraft MCS, das die Orbiter mit Energie versorgt und sie mit Hilfe eines speziellen Schutzschildes, der MMO Sunshield and Interface Structure, vor den extremen Temperaturen zwischen 430 Grad Celsius auf der Tagseite und minus 180 Grad Celsius auf der Nachtseite des Merkurs schützt. Nach sechs Vorbeiflügen an seinem Ziel wird BepiColombo am 5. Dezember 2025 schließlich in eine Merkurumlaufbahn gelangen.
DLR
Weitere Infos
- Mission BepiColombo, Europäische Raumfahrtorganisation ESA
- BepiColombo, Institut für Planetenforschung Berlin, Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
- Geologische Planetologie (H. Hiesinger), Institut für Planetologie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster