08.05.2023 • Biophysik

Alternativer Treibstoff für fadenförmige Zell-Motoren

Molekularer Zwei-Komponenten-Motor nutzt eine Art erneuerbarer chemischer Energie.

Zellen haben die faszinierende Eigenschaft, ihr Inneres mit Hilfe winziger Proteinmaschinen, also molekularer Motoren, die gerichtete Bewegungen erzeugen, zu organisieren. Die meisten von ihnen nutzen dabei eine Art chemische Energie namens ATP als Treibstoff. Jetzt haben Forscher des MPI für molekulare Zellbiologie und Genetik, des Exzellenz­clusters Physik des Lebens, des Biotechno­logie­zentrums der TU Dresden und des National Centre for Biological Sciences in Indien ein neuartiges molekulares System entdeckt, das eine alternative chemische Energie nutzt und einen neuartigen Mechanismus einsetzt, um mechanische Arbeit zu verrichten. Durch wiederholtes Zusammen­ziehen und Ausdehnen funktioniert dieser molekulare Motor ähnlich wie ein klassischer Stirlingmotor und hilft bei der Verteilung von Fracht an membran­gebundene Organellen. Es ist der erste Motor, der zwei Komponenten verwendet, zwei Proteine unterschied­licher Größe, Rab5 und EEA1, und der von GTP anstelle von ATP angetrieben wird.

Abb.: Ein molekularer Zwei­kompo­nenten-Motor, der Vesikel in die Nähe der...
Abb.: Ein molekularer Zwei­kompo­nenten-Motor, der Vesikel in die Nähe der endo­so­malen Membranen bringt. (Bild: MPI-CBG)

Motorproteine sind bemerkenswerte molekulare Maschinen im Inneren der Zelle. Sie wandeln chemische Energie, die in einem Molekül namens ATP gespeichert ist, in mechanische Arbeit um. Das bekannteste Beispiel ist Myosin, das unsere Muskeln bewegt. GTPasen hingegen galten bisher nicht als molekulare Krafterzeuger. Ein Beispiel ist ein molekularer Motor, der aus zwei Proteinen, EEA1 und Rab5, besteht. Im Jahr 2016 entdeckte ein Team, dass das kleine GTPase-Protein Rab5 eine Kontraktion in EEA1 auslösen kann. Diese fadenförmigen Tether­proteine können das Rab5-Protein in der Vesikel­membran erkennen und an sich binden. Die Bindung des viel kleineren Rab5 sendet eine Botschaft entlang der lang­gestreckten Struktur von EEA1 und macht dieses flexibel. Diese Flexibilität erzeugt eine Kraft, die das Vesikel zur Zielmembran zieht, wo es andockt und fusioniert. Außerdem schlug das Team vor, dass EEA1 nur durch die Interaktion mit Rab5 zwischen einem starren und einem flexiblen Zustand hin- und herschalten könnte, ähnlich wie bei einer mechanischen Motor­bewegung.

Ziel der aktuellen Studie war es, diesen Motor experimentell in Aktion zu beobachten. Diese Experimente erforderten jedoch spezifische Modifi­ka­tionen des Proteins, um dessen Flexibilität anhand seiner strukturellen Veränderungen messen zu können. Mit der Charakterisierung des EEA1-Proteins sollte die Frage beantworten werden, ob EEA1 und Rab5 einen Zwei-Komponenten-Motor bilden, wie von den Forschern vermutet. Die Schwierig­keiten, die richtigen Moleküle zu erhalten, konnten gelöst werden, indem man das EEA1-Protein so modifiziert, dass Fluorophore an bestimmte Protein­regionen binden können. Diese Modifikation erleichterte es, die Struktur des Proteins und die Veränderungen, die bei der Interaktion mit Rab5 auftreten können, zu charakte­ri­sieren.

Mit den geeigneten Protein­molekülen konnten die Wissen­schaftler die Dynamik von EEA1 mit den hochentwickelten Laser-Scanning-Mikroskopen der Licht­mikro­skopie-Einrichtung am MPI-CBG und am NCBS genau charakte­ri­sieren. Erstaunlicher­weise entdeckten sie, dass das EEA1-Protein mehrere Male den Übergang von starr zu flexibel und wieder zurück durchlaufen kann, angetrieben allein durch die chemische Energie, die bei seiner Interaktion mit der GTPase Rab5 freigesetzt wird. Diese Experimente zeigten, dass EEA1 und Rab5 einen GTP-gesteuerten Zwei-Komponenten-Motor bilden.

Um die Ergebnisse zu interpretieren, entwickelte das Team ein neues physika­lisches Modell, das die Kopplung zwischen chemischen und mechanischen Schritten im Motorzyklus beschreibt. Außerdem gelang es den Forschern, auch die thermo­dynamische Effizienz des neuen Motorsystems berechnen, die mit der konven­tio­neller ATP-getriebener Motor­proteine vergleichbar ist. Die Ergebnisse zeigen, dass die Proteine EEA1 und Rab5 als molekulares Zwei-Komponenten-Motorsystem zusammen­arbeiten, das chemische Energie in mechanische Arbeit umwandeln kann. Dadurch können sie eine aktive mechanische Rolle beim Membran­transport spielen. Es ist möglich, dass der Mechanismus des molekularen Motors, der die Kraft erzeugt, auch bei anderen Molekülen konserviert ist und von verschiedenen anderen zellulären Komparti­menten genutzt wird.

Die meisten molekularen Motoren verwenden einen gängigen zellulären Treibstoff namens ATP. Die kleinen GTPasen verbrauchen einen anderen Treibstoff, GTP, und wurden bisher hauptsächlich als Signal­moleküle betrachtet. Dass sie auch ein molekulares System antreiben können, um Kräfte zu erzeugen und Dinge zu bewegen, wirft ein interessantes neues Licht auf diese reichlich vorhandenen Moleküle. Es handelt sich also um eine neue Klasse von molekularen Motoren: Der Motor bewegt sich nicht wie der Kinesin-Motor, der Fracht entlang der Mikrotubuli transportiert, sondern verrichtet seine Arbeit, indem er an seinem Platz bleibt.

Das von den Wissenschaftlern verwendete Modell orientiert sich an dem des klassischen Stirling­motors. Während der traditionelle Stirling-Motor mechanische Arbeit durch Ausdehnung und Kompri­mierung von Gas erzeugt, verwendet der beschriebene Zweikompo­nenten-Motor Proteine als Arbeitsmaterial, wobei eine veränderte Protein­flexi­bilität zur Krafter­zeugung führt. Dieser Mechanismus eröffnet neue Möglich­keiten für die Entwicklung synthetischer Protein­motoren. Die Forscher hoffen, dass diese neue inter­diszi­plinäre Studie sowohl in der molekularen Zellbiologie als auch in der Biophysik neue Forschungs­ansätze ermöglichen könnte.

TU Dresden / RK

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