25.03.2024

Unser neues Auge im All / Die Pracht des Universums

Till Mundzeck, Unser neues Auge im All, National Geographic (2024), geb., 208 S., 49,99 Euro, ISBN 9783866907478

Dirk Lorenzen, Die Pracht des Universums, Kosmos (2023), geb., 240 S., 55,00 Euro, ISBN 9783440176924

Till Mundzeck / Dirk Lorenzen

Photo

Wir befinden uns in einem goldenen Zeitalter der Astronomie … und für astro­nomische Bildbände. Die aufwändig aufbereiteten Fotos der großen Weltraumteleskope sind ein gefundenes Fressen für Verlage, da sie meist frei und in hoher Auflösung verfügbar sind. Mit zwei neuen Bildbänden wetteifern National Geo­graphic und Kosmos um die Gunst der Astronomie-Fans. 

Till Mundzeck – tragischerweise vor Drucklegung seines Buches verstorben – legt mit „Unser neues Auge im All“ eine ansprechende und reich bebilderte erste Bilanz des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) vor. Zunächst führt er in die Geschichte des ehrgeizigen Projekts ein. Da gibt es genug zu erzählen, denn Konzeption und Inbetriebnahme des neuen Weltraumteleskops sind eine eingehendere Betrachtung wert. 

Anschließend gruppiert Mundzeck den Bilderreigen sinnvoll nach den großen Fragen, zu denen das JWST Antworten liefern soll: Wie hat das Universum begonnen? Wie entstehen Galaxien? Wie werden Sterne geboren? Wie entwickeln sich Sonnensys­teme? Sind wir allein im All? Das ersetzt keine umfassendere Einführung in die Astronomie und Astrophysik, vermittelt aber einen guten Eindruck davon, wie sich die astronomischen Beobachtungsmöglichkeiten immer mehr erweitern. Vergleichsbilder in verschiedenen Spektralbereichen oder von Hubble sind instruktiv. 

Nicht zuletzt muss man sich immer klar machen, dass der gebotene Anblick nicht das ist, was das bloße Auge sehen würde. Das JWST beob­achtet im Infrarotbereich, die Farben entstehen erst bei der weiteren Ver- und Bearbeitung der Bilder. Die kommen auf dem glänzenden Papier sehr gut zur Geltung und sind fast immer vorteilhaft platziert.

Erfreulich ist zunächst, dass das, was die Forschung primär interessiert, präsent ist, etwa Diagramme besonders aufschlussreicher spektraler Messungen. Leider wurde die englische Beschriftung beibehalten, die bei proportionaler Verkleinerung manchmal unlesbar wird. Doch das ist zu verschmerzen, ebenso wie kleinere Fehler, die sich in den Text eingeschlichen haben. So enthält die ferne Galaxie MACS0647 statt „200 Billionen“ sicher eher „200 Milliarden“ Sonnenmassen (S. 61) und auf S. 78 muss es „Big Crunch“ statt „Big Rip“ heißen. Welche Bedeutung die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) (S. 98 und 112) für die Entstehung neuer Sterne und Planeten haben, bleibt für mich im Dunklen.

Die vielen Zitate von Astronom:innen speisen sich oft aus Pressemitteilungen zum JWST, das ist aber kein Nachteil. Letztendlich funktioniert hier die Mischung aus Bildband und Sachbuch dank der informativen Bildbeschreibungen, des Glossars und des „Kleinen Kompendiums der großen Weltraumteleskope“ im Anhang. Das Verzeichnis der weiterführenden Literatur hätte allerdings gerne umfangreicher und differenzierter ausfallen dürfen. 

Wenn Mundzeck wie ein seriö­ser Pressesprecher des Universums agiert, dann ist Dirk Lorenzen sein kosmischer PR-Manager. In seinem Bildband schillert und schimmert es nur so, alles wird ästhetisiert, ist prachtvoll, wunderschön und es menschelt munter. Kugelsternhaufen sind „alt und weise“ und wenn Galaxien verschmelzen, ist von „Kannibalismus“ die Rede. Das ist zumindest Geschmackssache, aber manchmal einfach störend. Auch die Titel zu Bildbeschreibungen sind durch ungeschickte Verkürzungen schräg („Schwarzes Loch mit Nobelpreis“, „James Webb und die Supernova“). Dass Lorenzen fachkundig ist, steht außer Zweifel, denn er lässt in die Bildbeschreibungen viele interessante Informationen einfließen. Beim Gold irrt er jedoch, denn das entsteht nach den aktuellen Erkenntnissen nicht in Supernovae (oder wie Mundzeck schreibt bei der stellaren Kernfusion), sondern bei der Kollision von Neutronensternen. Als astronomische Einführung funktioniert der Band von Dirk Lorenzen wegen des nicht so stimmigen Aufbaus nur bedingt. 

„Die Pracht des Universums“ kommt auf dem matten Papier durchaus zur Geltung, allerdings landen bei doppelseitigen Motiven die wichtigen Bereiche manchmal unvorteilhaft im Bund. Das Panorama der Andromeda-­Galaxie, das auf zwei Doppelseiten (S. 156 bis 159) verteilt ist, schreit förmlich nach Ausklapptafeln. Hier hat der Verlag am falschen Ende gespart. 

Insgesamt würde ich den Bildband von National Geographic gegenüber dem von Kosmos vorziehen, auch wenn beide Bücher neugierig machen, was uns noch an Bildern erwartet.

Alexander Pawlak


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