03.07.2024

Die Zeitmaschine

H. G. Wells, Die Zeitmaschine. Eine Erfindung, Neuübersetzung von Hans-Christian Oeser, brosch., 140 S., 9 Euro, ISBN 978315020744-4 und brosch., 152. S., 152 S., 5,20 Euro, ISBN 9783150144299

H. G. Wells

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Der Debütroman von H. G. Wells (1866 – 1946) ist nicht die erste Zeitreise in der Literatur­geschichte, aber ganz sicher die berühmteste. An deutschen Übersetzungen hat es keinen Mangel, angefangen bei der von Felix Paul Greve für die deutsche Erstausgabe von 1904, die für viele Jahrzehnte prägend war.

2017, als das Werk von H. G. Wells 70 Jahre nach seinem Tod keinem Copyright mehr unterlag, erschienen zahlreiche Übersetzungen unter anderem bei Anaconda, dtv und Fischer. Die Fischer-Ausgabe wartet mit dem umfangreichsten Zusatzmaterial auf, etwa mehreren Vorworten von H. G. Wells, frühen Kurzgeschichten wie „Die Chrononauten“ („The Chronic Argonauts“) von 1888, die eine Vorstufe zu „The Time Machine“ (1895) darstellt, und einem Vorwort des Anglisten und Wells-Kenners Elmar Schenkel.

Der Zeitreise-Roman von Wells hat nun in einer weiteren Übersetzung auch Reclam-Weihen erhalten. Die englische Ausgabe ist bereits seit 1984 mit Vokabelerläuterungen, Literaturhinweisen und einem aufschlussreichen Nachwort in der Universal-Bibliothek verfügbar. Nun kommt zum knallroten auch das gelbe Reclam-Bändchen hinzu. Damit ist „Die Zeitmaschine“ preisgünstig für die Hosentasche erhältlich. Zusätzlich gibt es eine größere, hübsch gestaltete und knapp doppelt so teure Version im gängigen Taschenbuchformat.

Zu Wells und mehr

Erik Strub • 7/2005 • Seite 47

Soddy, Wells und die Atombombe

Alexander Pawlak • 7/2010 • Seite 52

Zwischen Fakt und Fantasie

Alexander Pawlak • 11/2007 • Seite 25

Der Physik auf den Geist gehen

Aber braucht es wirklich eine weitere deutsche Übersetzung, wenn bereits mehrere verfügbar sind und die Ausgabe des Anaconda-Verlags sogar 25 Cent günstiger als das Reclam-Bändchen ist? Da die Verlage online ausreichende Leseproben zur Verfügung stellen (Links siehe unten), lässt sich durch Vergleich entscheiden, welche Übersetzung einem eher zusagt. Aber vielleicht hilft schon die Probe aufs Exempel anhand einer markanten Passage aus der Einleitung:

“Nor, having only length, breadth, and thickness, can a cube have a real existence.”
“There I object”, said Filby, “Of course a solid body may exist. All real things –“
“So most people think. But wait a moment. Can an instantaneous cube exist?”

Die Übersetzungen fallen durchaus sehr unterschiedlich aus:

  • „Somit wird aus Länge, Breite und Höhe allein auch kein real existenter Würfel.“
    „Einspruch“, sagte Filby. „Natürlich kann es einen festen Körper geben. Alle realen Dinge –“
    „Die meisten Leute denken so. Aber einen Augenblick noch. Kann es einen momentanen Würfel geben?“
    (Übersetzung von Jan Strümpel, Anaconda 2017)
  • „Und nur mit den Eigenschaften Länge, Breite und Stärke kann es auch einen Würfel im realen Leben nicht geben.“
    „Einspruch“, sagte Filby. „Selbstverständlich kann es einen Festkörper geben. Alle realen Dinge –“
    „Das glauben die meisten Leute. Aber warten Sie ab. Kann es einen dauerlosen Würfel geben?“
    (Übersetzung Hans Ulrich Möhring, Fischer 2017)
  • „Auch ein Würfel, der lediglich Länge, Breite und Höhe hat, kann in Wirklichkeit nicht existieren.“
    „Da muss ich widersprechen«, widersprach Filby. „Natürlich existiert ein solider Körper. Alle realen Dinge –“
    „Das denken die meisten. Aber warten Sie. Kann es einen Würfel ohne Dauer geben? “
    (Übersetzung von Lutz-W. Wolff, dtv 2017)
  • „Auch einem Würfel, der nur Länge, Breite, Höhe hat, kommt keine reale Existenz zu.“
    „Da muss ich widersprechen“, sagte Filby. „Natürlich kann ein fester Körper existieren. Alle realen Gegenstände –“
    „So denken die meisten Menschen. Aber warten Sie einen Augenblick. Existiert ein nur momentaner Würfel?“
    (Übersetzung von Hans-Christian Oeser, Reclam 2024)

Sicher lässt sich nicht an einer kurzen Passage gleich die Qualität der gesamten Übersetzung beurteilen, und oft genug ist das auch Geschmackssache. Aber bei der betrachteten Passage ist die Version von Hans-Christian Oeser durchaus ein Gewinn und auf zeitgemäße Weise lesbar geraten. Die Taschenbuchausgabe ist wirklich hübsch gestaltet und enthält noch Anmerkungen, eine Nachbemerkung des Übersetzers sowie eine Zeittafel zum Leben von H. G. Wells.

Das Werk von H. G. Wells ist ein – auch wenn der Ausdruck unpassend erscheinen mag – zeitloser Klassiker, der sogar vor der Buchveröffentlichung eine Rezension erhielt. Bereits im März 1895, als der Vorabdruck in der Zeitschrift „New Review“ noch nicht beendet war, schrieb ein nicht genannter Autor: „Die Geschichte ist noch nicht fertig, aber er hat genug geschrieben, um zu zeigen, dass er eine ebenso schaurige Fantasie hat wie Poe.“

Alexander Pawlak

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