Der Elefant im Universum
Govert Schilling: Der Elefant im Universum – Das große Rätsel der Dunklen Materie, Kosmos Verlag, Stuttgart 2024, 400 S., Hardcover, 28 Euro, ISBN 9783440177198
Govert Schilling
Der niederländische Autor Govert Schilling – nach eigenen Angaben Autodidakt in Astronomie und Journalismus – hat bereits einige Bücher veröffentlicht. Nun liegt mit „Der Elefant im Universum“ eine weitere Übersetzung aus dem Englischen vor, die sich um das Rätsel der Dunklen Materie dreht. Als Aufhänger dient eine Hindu-Fabel, in der sechs blinde Männer jeweils andere Körperteile eines Elefanten ertasten: die Seite, einen Stoßzahn, den Rüssel, das linke Bein, ein Ohr und den Schwanz. Danach streiten sie darüber, wer sich nun das richtige Bild von dem Tier gemacht hat. Auch wenn die drei Teile des Buches dem Ohr, Stoßzahn und Rüssel zugeordnet sind, blieb unklar, was die Fabel mit dem Rätsel um die Dunkle Materie verbindet.
In der Einleitung erläutert Schilling ausführlich, dass ihn meist aktuelle Forschungsergebnisse wie die Entdeckung eines erdähnlichen Exoplaneten oder der Nachweis der Gravitationswellen dazu bringen, für ein neues Buch zu recherchieren. Bei der Dunklen Materie habe ihn dagegen die Vorstellung angetrieben, dass während der Vorbereitung und dem Schreiben ein Durchbruch gelingen könnte. Daher warnt er, dass auch die Lektüre des Buches das Rätsel nicht lösen könne – was ihn jedoch nicht daran hindert, mehrfach eine Antwort zu versprechen: „Es sieht ganz so aus, als ob die Dunkle Materie gekommen ist, um zu bleiben. Und jetzt wollen wir wissen, was sie ist.“ (S. 34)
Inhaltlich ist das Buch eine bunte Mischung. So wechseln sich Interviews mit Forschenden – unter denen Nobelpreisträger James Peebles heraussticht – ab mit Reiseberichten zu Forschungseinrichtungen wie dem CERN oder dem Laboratori Nazionali del Gran Sasso, an denen nach Dunkler Materie gesucht wird. Fachlich betrachtet glich die Lektüre einer Achterbahnfahrt: Auf Abschnitte zu Detektoren wie XENONnT, die einiges an Vorwissen voraussetzen, folgt die Beschreibung eines Abendessens in L’Aquila mit „traditionellen Lammspießen aus den Abruzzen und Montepulciano-Wein aus der Region“ (S. 46). Als Ankerpunkt der Erzählung dient ein ums andere Mal der Autor.
Dieser hat sich in aller Breite in die Materie eingearbeitet: Auf den fast 30 Seiten mit Quellenangaben finden sich vor allem Fachpublikationen, aber auch Verweise auf Artikel in der New York Times oder zu populärwissenschaftlichen Büchern. Mir hat diese Mischung ebenso wenig gefallen wie die teils drastischen Bezeichnungen der Kapitel: Mordehai Milgrom und die Modifizierte Newtonsche Dynamik unter dem Titel „Die Ketzer“ einzuführen, ist ebenso reißerisch, wie die derzeitige Konkurrenz von Experimenten wie XENONnT, LUX-ZEPLIN und PandaX als „Der Xenon-Krieg“ anzukündigen. Wer das mag, dem sei dieses Buch empfohlen.
Kerstin Sonnabend